Sebastian Kurz und Horst Seehofer wollen miteinander gehen.

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Berlin/Wien – In einer "Achse der Willigen" werden Österreich, Deutschland und Italien in der Flüchtlingspolitik zusammenarbeiten. Das kündigten Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Deutschlands Innenminister Horst Seehofer (CSU) am Mittwoch gegen Mittag in Berlin an.

Seehofer sagte, Dienstagabend habe ihn der italienische Innenminister Matteo Salvini angerufen und ihm die enge Kooperation zwischen Rom, Berlin und Wien in Zuwanderungsfragen vorgeschlagen. Diesen Vorschlag erörterten Kurz und Seehofer in ihrem Gespräch in Berlin. Sie griffen ihn ausdrücklich positiv auf und kündigten die Zusammenarbeit der Innenminister Italiens, Deutschlands und Österreichs auf regionaler Ebene an. Ziel dieser "Achse der Willigen" sei es, so Kurz vor Journalisten, "die illegale Migration weiter zu reduzieren".

Ankerzentren

Kurz und Seehofer waren sich einig, dass "nicht die Schlepper, sondern die Regierungen" entscheiden müssten, wer ins Land dürfe.

Seehofer bekräftigte seinen Plan von sogenannten Ankerzentren, in denen die Asylverfahren schneller, effizienter und sicherer verlaufen sollten.

Stärkung der Außengrenze

Da wieder eine verstärkte Migrationsbewegung entlang der Albanien-Route zu verzeichnen sei, sollen österreichische und deutsche Polizisten zur Unterstützung der albanischen Polizei entsandt werden.

Einig sind sich die beiden Politiker, dass eine Stärkung der Außengrenze der Europäischen Union die Kontrollen an den Binnengrenzen überflüssig machen würden. Die EU-Grenzagentur Frontex soll nicht nur personell und finanziell gestärkt, sondern auch in ihrem Mandat besser ausgestattet werden.

Kritik an Dublin-Abkommen

Gleichzeitig will Italien mit Österreich und Deutschland eine Initiative zur Reform des Dubliner Asylabkommens starten. Das betonte der italienische Innenminister bei seiner Rede zur Flüchtlingsthematik am Mittwoch im Senat in Rom.

"Das Dubliner Asylabkommen muss überwunden werden. Man hat versucht, uns Regeln aufzuzwingen, die Italiens Situation noch mehr erschwert hätte. Mit den Österreichern und den Deutschen werden wir der EU eine eigene Initiative vorschlagen", kündigte Salvini, Chef der rechten Lega, an.

Verschwörungstheorien

Gleichzeitig kritisierte er die Flüchtlingsrettung der im Mittelmeer aktiven NGOs. "Es ist an der Zeit, dass die Staaten wieder als Staaten agieren. Es ist nicht mehr tolerierbar, dass private Organisationen, die wer weiß von wem finanziert werden, die Einwanderungsströme in Richtung Italien bestimmen", sagte Salvini. Hinter einigen Nichtregierungsorganisationen würde die Open Society Foundation (OSF) des ungarischstämmigen US-Milliardärs George Soros stecken. Auch die ungarische Regierung kritisiert Soros immer wieder und wurde dafür international immer wieder heftig kritisiert.

Salvini attackierte auch Frankreich, nachdem Präsident Emmanuel Macron scharfe Kritik an Italiens neuem Kurs in Sachen Einwanderung geübt hatte. Niemand dürfe Italien in puncto Solidarität mit den Einwanderern Lehren erteilen. Er erwarte sich ein Entschuldigung von der französischen Regierung, forderte Salvini. Gebe es keine Entschuldigung aus Paris, würde Italiens neuer Regierungschef Giuseppe Conte nicht zum am Freitag geplanten Treffen mit Präsident Macron kommen.

Dank an Spanien

In Italien hatten vor allem Aussagen des französischen Regierungssprechers für Unmut gesorgt. Er hatte vom "Beweis einer Form von Zynismus und einer gewissen Verantwortungslosigkeit der italienischen Regierung" gesprochen, nachdem sich Italien am Wochenende geweigert hatte, das Rettungsschiffes Aquarius mit über 600 Asylsuchenden an Bord aufzunehmen.

Spanien erklärte sich schließlich dazu bereit, wofür sich Salvini am Mittwoch bedankte. "Ich danke Spanien, und ich danke dem guten Herzen von Premier Pedro Sánchez. Ich hoffe, dass er auch in den nächsten Wochen so freigiebig sein wird", sagte Salvini. Dabei hob er hervor, dass Italien derzeit 170.000 Flüchtlinge versorge, Spanien lediglich 16.000.

Der seit elf Tagen amtierende Innenminister wies den Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit zurück. Es sei eine Pflicht, Frauen und Kinder auf der Flucht von Krieg aufzunehmen. Man müsse jedoch die "illegale Einwanderung" stoppen, weil diese soziale Konflikte nähre. Noch bis Ende Juni plant Salvini eine Reise nach Libyen. Er denke auch an eine Reise nach Tunesien, kündigte der Lega-Chef an.

Entschuldigung gefordert

Italiens Außenminister Enzo Moavero Milanesi, der am Mittwoch die Geschäftsträgerin der französischen Botschaft, Claire Anne Raulin, zu einem Gespräch ins Außenamt zitiert hat, hat von Frankreich Entschuldigungen wegen den in Zusammenhang mit dem Fall des Rettungsschiffes "Aquarius" erhobenen Vorwürfen gefordert. "Frankreichs Vorwürfe beeinträchtigen unsere Beziehungen", so der Außenminister.

Die Worte der französischen Regierung im Zusammenhang mit dem Fall "Aquarius" seien "ungerechtfertigt", so der Minister. Seit Monaten beklage sich Italien öffentlich über die unfaire Verteilung der Lasten im Umgang mit der Flüchtlingsproblematik. Ein Nachbarland könne zwar mit der Position eines anderen Staates nicht einverstanden sein. Meinungsverschiedenheiten müssten jedoch in Formen zum Ausdruck kommen, die die freundschaftlichen Beziehungen nicht beeinträchtigen, sagte Moavero Milanesi. (APA, 13.6.2018)