Selbst für das wenig versprechende Eröffnungsspiel der Fußballweltmeisterschaft zwischen Russland und Saudi-Arabien liegt die Latte zu niedrig, um nicht ganz locker übersprungen zu werden. Schwächere Vorstellungen, als rund um den Fußball im Vorfeld der Endrunde gegeben wurden, können die Sbornaja und die Grünen Falken, die Nummern 70 und 67 der Weltrangliste, im Luschniki-Stadion zu Moskau gar nicht abliefern.

Die Deutschen lässt die vor Monatsfrist ausgebrochene Erdogan-Affäre nicht los, das Posieren der Nationalspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan in London. Machten die beiden noch freiwillig beste Miene zum Wahlkampfspielchen, wand sich Superstar Mohamed Salah sichtlich, als ihn der tschetschenische Diktator Ramsan Kadyrow beim Besuch des ägyptischen Teamtrainings in Grosny zu herzen begehrte. Es war eine kleine Entschädigung für Sportsfreund Kadyrow, dem sein Gönner Wladimir Putin den Wunsch verwehrt hatte, wenigstens ein WM-Spiel in der Achmat-Arena der "Schrecklichen" auszutragen.

Der Weltverband Fifa, der sich offiziell die politische Vereinnahmung "seines" Sports verbittet und gerne auch harte Sanktionen ausspricht, wenn bei irgendeinem Kleinverband Politiker in Ballbesitz zu gelangen versuchen, schnurrt in Person seines formidablen Präsidenten Gianni Infantino wie ein Kätzchen, wenn der Zar bitten lässt. Noch vernehmlicher wird nur geschnurrt, wenn hohe Gewinne winken, weshalb die gestrige, fast mit Zweidrittelmehrheit gefällte Entscheidung der Weltverbandsverbände, die Endrunde 2026 von den USA, Mexiko und Kanada ausrichten zu lassen, erwartbar war.

Einnahmenrekord

Die Dreierbewerbung verspricht mit elf Milliarden Euro einen neuen WM-Einnahmenrekord, da hatte Konkurrent Marokko wirklich keinen Meter. Ironischerweise konnte nur Dealmaker Donald Trump den Deal ein wenig gefährden, als er einerseits in einem anderen Zusammenhang diverse afrikanische und asiatische Länder unter "shithole countries" subsumierte und andererseits befreundeten Nationen (von deren Fußballverbänden der US-Präsident sie nicht zu unterscheiden vermag) mit nicht näher definierten Sanktionen drohte, sollten sie sich für die afrikanische Bewerbung und gegen "United 2026" entscheiden. Die Bedrohten waren schließlich nicht empört genug, etliche Beleidigte nicht beleidigt genug, um sich für Marokko und gegen ihr Portemonnaie zu entscheiden. Ob Nordkoreas Nein zum Dreier noch weltpolitische Bedeutung erlangt, wird sich weisen.

Präsident Infantino könnte fast glücklich sein, hätte man ihm nicht beim Fifa-Kongress in Moskau die Aufstockung des WM-Teilnehmerfeldes von 32 auf 48 schon für die Endrunde 2022 verwehrt. Katar, der Gastgeber des Weltfußballs, der nur über eine Fläche in der Größe Oberösterreichs gebietet, dafür aber über einen Geldspeicher wie Dagobert Duck, hätte das doch locker vertragen.

48 Teilnehmer für die nordamerikanische WM wirken da fast ein wenig halbherzig, ein wenig unentschlossen. Der Goldesel Fußball lässt sich ja am besten ganz nah am Abgrund reiten. Folgerichtig trottet er stracks Richtung China und vielleicht 64 Teilnehmer. Das Auftaktspiel 2030 könnte dann nicht einmal mehr von der Fifa niveaumäßig zu unterbieten sein. (Sigi Lützow, 13.6.2018)