Den Bewohnern der niederösterreichischen Gemeinde Warth steht das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Das bereits vierte schwere Unwetter in den vergangenen Tagen habe teilweise das gesamte Hab und Gut der Menschen zerstört, sagt Franz Resperger vom Landesfeuerwehrkommando Niederösterreich am Mittwoch dem STANDARD. Überhaupt seien das Wechselgebiet und das Feistritztal am schlimmsten von den Unwettern heimgesucht worden. Insgesamt 1500 Feuerwehrleute absolvierten 600 Einsätze in dem Bundesland, um verschlammte Keller auszupumpen oder andere Schäden zu beseitigen. Ebenfalls im Einsatz stehen zwei Züge des Katastrophenhilfsdiensts der Feuerwehr, die die Einsatzkräfte vor Ort ablösen sollen.

In Neunkirchen waren hunderte Feuerwehrleute im Einsatz. Im Bezirk fiel in drei Stunden fast die gesamte Monatsmenge an Regen.
Foto: APA/Einsatzdoku.at

Im zum Katastrophengebiet erklärten Bezirk Neunkirchen in Niederösterreich fiel am Dienstag in drei Stunden fast die gesamte Monatsmenge an Niederschlag, berichtete die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). 116 Millimeter Regen an einem Tag waren für Puchberg am Schneeberg ein neuer Höchstwert.

Weite Teile des Bezirks Neunkirchen sind Feuerwehrangaben zufolge auch am Mittwochnachmittag von massiven Starkregenfällen und Unwettern heimgesucht worden. Zu den bereits am Vortag betroffenen Gemeinden kamen dadurch Natschbach-Loipersbach und Wartmannstetten hinzu, berichtete das Bezirkskommando. Am frühen Abend standen noch 38 Feuerwehren mit rund 400 Mann im Einsatz.

Lokale Überflutungen und die Gefahr überlaufender Gewässer forderten abermals die Helfer, hieß es in einer Zwischenbilanz. In Ternitz und Pitten wurden für alle Einsatzstellen im Bezirk unzählige Sandsäcke befüllt und bereitgestellt. 3.500 waren es bereits am Dienstag gewesen. Anhaltende Niederschläge könnten zu stetig steigenden Pegelständen der Pitten und deren Zubringer und somit unweigerlich zu weiteren Problemen führen, teilte das Bezirksfeuerwehrkommando mit.

Aufräumarbeiten gingen am Donnerstag weiter

Auch am Donnerstag gingen die Aufräumarbeiten nach den jüngsten Unwettern im Bezirk Neunkirchen weiter. Die Feuerwehr half auch bei der Entsorgung von zerstörtem Hab und Gut, teilte Resperger mit. Instand gesetzt werden müssen seinen Angaben zufolge zudem mehrere kleine Brücken, die zerstört oder stark beschädigt wurden.

Die Lage habe sich entspannt, sagte Resperger am Donnerstagvormittag. Auch die Pegel gingen zurück. An der Pitten waren noch am Mittwoch die mit Sandsäcken gebildeten Dämme erhöht worden. Bei den in Mitleidenschaft gezogenen Brücken über Bäche handelt es sich dem Feuerwehrsprecher zufolge vorwiegend um Zufahrten zu Anwesen. Ob es für die Instandsetzung zu einem Einsatz von Pionieren des Bundesheeres kommt, blieb vorerst offen.

Erneut überflutete Keller im Burgenland

Auch im Burgenland haben am Mittwoch erneut zahlreiche Feuerwehren zu Unwetter bedingten Einsätzen ausrücken müssen. Betroffen waren dieses Mal sechs Bezirke – Eisenstadt-Umgebung, Mattersburg, Oberpullendorf, Oberwart sowie Güssing und Jennersdorf. Hauptaugenmerk lag einmal mehr auf überflutete Keller, teilte eine Sprecherin der Landessicherheitszentrale (LSZ) am Donnerstag der APA mit.

Im südlichsten Bezirk Jennersdorf musste etwa die Feuerwehr Mogersdorf-Ort nach einem heftigen Wolkenbruch gegen 20.00 Uhr zur Unterstützung der Nachbargemeinden ausrücken. Zwischen Maria Bild und Krobotok war ein Bach über die Ufer getreten. Die Ortsfeuerwehren mussten unter anderem das Wasser abziehen und die Fahrbahn sowie Zufahrtswege reinigen, hieß es in einer Aussendung.

"Am 3. Juni hatten wir das erste große Unwetter. Seither sind wir neun oder zehn Mal zu solchen Einsätzen ausgerückt", schilderte Pressesprecher Christian Schwartz. "Mittlerweile ist ein Punkt erreicht, wo jeder sagt, jetzt reicht es schön langsam. Die Anspannung, dass wieder etwas kommt, ist sehr groß", so Schwartz, der mit seinen Kameraden auch einen Bezirksleistungswettkampf am kommenden Samstag vorbereiten muss.

Laut Wetterprognosen dürfte es für heute, Donnerstag, "gut ausschauen", meinte eine Sprecherin der LSZ. "Unwetter sind derzeit nicht angesagt. Wir hoffen, dass das auch so bleibt."

Die Niederschlagsmengen erzielten am Dienstag und Mittwoch Rekordwerte.
Grafik: Standard

Die Unwetter brachten auch heftige Windböen, die stärkste wurde am Dienstag mit 116 km/h am Sonnwendstein im Semmeringgebiet gemessen. Auch das steirische Piberegg wurde zum Katastrophengebiet erklärt. In Graz, wo am Dienstag ein Mann durch einen umgestürzten Baum ums Leben kam, erreichten die Böen bis zu 111 km/h. Bis Sonntag bleibt der Stadtpark für Aufräumarbeiten gesperrt.

Eine Straße im Grazer Bezirk Andritz wurde am Mittwoch überflutet.
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In Dobersberg im Bezirk Waidhofen an der Thaya stürzte am Dienstag ein Lastwagen von einer Brücke in die Thaya, der Fahrer wurde in der Kabine eingeschlossen. Auch im Ausland kam es zu Überschwemmungen. Etwa steht der französische Marienwallfahrtsort Lourdes unter Wasser. In Bayern kam ein Mann ums Leben, er wurde von dem Fluss Partnach mitgerissen.

Wetterrekorde im Frühjahr

In Dobersberg in Niederösterreich stürzte ein Lastwagen in die Thaya. Die Feuerwehr musste die Notärztin zur Versorgung des Fahrers durch den Fluss tragen.
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Österreichweit brachte das Wetterjahr 2018 bereits ungewöhnliche Entwicklungen. Sowohl Starkregen als auch Hitze waren schon im April und Mai ein Thema. Die Zahl der Sommertage über 25 Grad ist deutlich gestiegen. In Wien gab es heuer bereits mehr als 30 solcher Tage. Der Mai verlief mit einer Abweichung um 2,5 Grad deutlich wärmer als im langjährigen Mittel und war somit der zweite außergewöhnlich warme Monat in Folge. Laut dem Wetterdienst Ubimet war es sogar der wärmste Mai seit über 150 Jahren, direkt im Anschluss an den wärmsten April seit dem Jahr 1800. Beim Niederschlag gab es im Frühjahr große Unterschiede: Kärnten und die Steiermark hatten mit Starkregen zu kämpfen, in Wien und Oberösterreich hingegen war es zu trocken.

Die Durchschnittstemperatur gemittelt über April und Mai ergab 12,6 Grad, was einen Rekordwert darstellt.
Grafik: Standard

Auch die Zahl der Blitze deutet auf viele Unwetter hin. Heuer registrierte das Blitzortungssystem Aldis bereits rund 66.000 Blitzeinschläge in Österreich. Das ist der stärkste Start in die Blitzsaison seit 2009. Damals schlug bis Anfang Juni knapp 80.000-mal der Blitz ein.

Auswirkungen bekommt die Landwirtschaft zu spüren: Die Schäden der Unwetter vom Dienstag belaufen sich laut Hagelversicherung auf 1,7 Millionen Euro. Das Weinbaugebiet "Blaufränkischland" im Mittelburgenland war stark betroffen, aber auch in Niederösterreich, der Steiermark und Salzburg meldeten Bauern erhebliche Schäden. Der Landwirtschaft sind heuer bereits Schäden in Höhe von 20 Millionen Euro entstanden – sowohl durch Wetterextreme als auch durch den Rübenrüsselkäfer. "Noch ist der Höhepunkt der Hagelsaison nicht erreicht", sagt Mario Winkler, Sprecher der Hagelversicherung. Er geht davon aus, dass die Schadenssumme im Juli und August deutlich steigen wird. 2017 beklagten Landwirte einen Schaden von 250 Millionen Euro, 2016 waren es 270 Millionen.(bbl, lauf, lhag, rwh, 13.6.2018)