Wien – Die vom Österreichs Skiverband (ÖSV) im November als Reaktion auf Missbrauchsfälle und -vorwürfe eingesetzte Expertenkommission sieht keine Hinweise auf systematischen sexuellen Missbrauch und sexuelle Gewalt innerhalb der Verbandsstrukturen. Das ist die Kernaussage der am Mittwoch in Wien bekanntgegebenen Resultate der Untersuchungen, die am 31. Mai abgeschlossen wurden.

Die ehemalige steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic berichtete in ihrer Funktion als Vorsitzende des Expertenbeirats von rund 130 Telefonaten und 90 Mails. Es habe anonyme Hinweise auf mögliche Missstände im ÖSV in den 1970ern und 1980ern gegeben. In jüngerer Vergangenheit sei ein Aushilfsmasseur (Nordischer Skisport), der zwei Sportlerinnen belästigt habe, mit sofortiger Wirkung entlassen worden. Die Causa sei gerichtsanhängig. Das gilt auch für den Fall eines erstinstanzlich verurteilten Trainers der Ski-Akademie Schladming, der berufen hat.

Eine Psychologen-Gruppe befasste sich mit der Entwicklung von Präventionsansätzen gegen Gewalt in Schulen und Internaten. Dabei wurden viele Gespräche mit Lehrern und Schülern geführt. Laut Universitätsprofessorin Beate Wimmer-Puchinger ist "Prävention die beste Medizin" und "eine gute Präventionsstrategie das Gebot der Stunde".

Martina Leibovici-Mühlberger, ebenfalls Universitätsprofessorin und Leiterin der ARGE Bildung & Management, analysierte mit einem weiteren Team Rahmenbedingungen und ÖSV-Strukturen. Resultat: "Sexuelle Belästigung kommt im Rahmen des ÖSV im Vergleich zu Unternehmen analoger Größenordnung deutlich weniger vor." Und: Bedauerliche "Einzelereignisse" seien "nicht als strukturimmanente Problemstellung des ÖSV zu sehen".

ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel (76) zeigte sich "erleichtert", das sei "aber auch schon alles". Schließlich sei "jeder einzelne Fall, der passiert ist, schockierend und zutiefst bedauerlich". Auch der ÖSV könne einzelne Übergriffe "nicht zu hundert Prozent ausschließen". Der Verband will weitere Maßnahmen setzen. Gedacht ist an die Einrichtung einer dauerhaften Ombudsstelle, eine Reform der Trainerausbildung für Damenteams, eine Trainerschulung zur Stärkung der Persönlichkeit und gruppendynamischer Effekte, Gesprächsrunden mit Psychologen und an eine engere Kooperation mit Schulen.

"Das ist normal nicht üblich"

Ex-Rennläuferin Werdenigg, die seinerzeit mit dem Hinweis auf eine Vergewaltigung durch einen Mannschaftskollegen und einen Trainer die Debatte ausgelöst hatte, sagte am Abend in der ORF-Nachrichtensendung ZiB 2, es sei von vornherein klar gewesen, dass es bei einer unter ÖSV-Flagge aufgestellten Kommission ganz schwierig sein werde, dass sich dort Athleten und Athletinnen selbst melden würden.

"Das System, in dem das passiert ist, ist in diesem Fall nicht der geeignete Ansprechpartner, zu dem man vertrauen haben kann", sagte Werdenigg im Interview mit Armin Wolf. Bei ihrem Institut hätten sich hingegen sehr wohl zahlreiche Menschen – auch ganz junge Fälle – gemeldet. Und zwar rund 50 bis 60 Personen aus dem Sport-Umfeld und aus dem Ski-Umfeld 30 bis 40 Personen, die Kontakt aufgenommen hätten und sich teilweise auch namentlich gemeldet hätten. Diese habe man an den Weißen Ring weitergeleitet und in einem Fall mit einer Therapie-Unterstützung weitergeholfen. "Offensichtlich war es einfach eine Vertrauensfrage", so Werdenigg.

Zum konkreten Fall aus dem Jahr 2005 habe sie mit der Betroffenen Kontakt, betonte Werdenigg. Die Zusammenarbeit mit der Landespolizeidirektion in Tirol sei gut gewesen und Namen seien bekannt, auch bei der Staatsanwaltschaft. Sie sehe die Notwendigkeit, solche Dinge in einem rechtsstaatlichen Verfahren aufzulösen. Auf der einen Seite sei man eine Meldestelle und gleichzeitig Kommission zum aufarbeiten. "Das ist normal nicht üblich." (APA/red, 14.6.2018)