Der Ausspruch "Du wirfst wie ein Mädchen" verdirbt vielen Kindern nachhaltig die Freude an der Bewegung.

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Überkommene Vorstellungen darüber, wie Buben und Mädchen zu sein haben, gibt es auch im Schulsport. Der Ausspruch "Du wirfst wie ein Mädchen" kann Kindern jedenfalls nachhaltig die Freude an Sport und Bewegung verderben. Vielleicht ist das ein Grund, weshalb sich Buben im Turnunterricht nachweislich mehr bewegen als ihre Mitschülerinnen. Diese Vermutung legt eine US-amerikanische Studie nahe. Die Ergebnisse wurden jetzt im Fachjournal Research Quarterly for Exercise and Sport veröffentlicht.

Ob sich die unterschiedliche körperliche Aktivität bei Mädchen und Buben biologisch begründen lasse? Nein, sagen die Forscher der University of Michigan. Vielen Kindern – laut Studie hauptsächlich Mädchen – werden motorischen Fähigkeiten schlicht nicht mehr beigebracht. "Wir reden über grundlegende Bewegungen: Dribbeln, Laufen, Hüpfen, Springen. Viele Menschen denken, dass sich diese Fähigkeiten auf natürliche Weise entwickeln, aber sie müssen aktiv vermittelt und gelehrt werden", sagt Leah Robinson, Sport- und Bewegungswissenschafterin an der University of Michigan.

Motorische Fähigkeiten stärken

Um das zu unterstützen, entwickelte Robinson mit ihren Kollegen ein Bewegungscurriculum. Das Programm, das die körperliche Aktivität und motorische Kompetenz bei Vorschulkindern erhöhen soll, trägt den Namen Champ (Children's Health Activity Motor Program). In Champ-Unterrichtseinheiten wird davon ausgegangen, dass Kinder ihre motorischen Fähigkeiten besser erlernen, wenn sie selbst entscheiden können, an welchen Aktivitäten sie teilnehmen wollen. Vorschulkinder wählen zwischen mehreren Bewegungsstationen mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden aus. Zwar weisen herkömmliche Turnstunden identische Inhalte auf, lassen Kindern aber selten Wahlmöglichkeiten.

Die Studie verglich das Verhalten von 72 Kindern im Vorschulalter, die entweder in ein traditionelles Bewegungsprogramm oder in den Champ-Lehrplan von Robinson aufgenommen wurden. Jedes Kind nahm neun Wochen lang zweimal wöchentlich an einem 30-minütigen Bewegungsprogramm teil.

Mangel an Kompetenz und Vertrauen bei Mädchen

Nur die Hälfte der Drei- bis Fünfjährigen halte in den USA die empfohlenen drei Stunden Bewegung pro Tag ein, sagt Robinson. Außerdem zeigte sich, dass mehr Buben als Mädchen die Anforderungen erfüllen. Bisherige Programme hätten zu wenig Wert auf die Vermittlung grundlegender motorische Fähigkeiten gelegt, vermutet die Wissenschafterin. Das kann Robinson zufolge zu einem Mangel an Kompetenz und Vertrauen bei den Mädchen führen und auch ein Grund dafür sein, dass sie sich weniger bewegen als Buben. Abwertende Bemerkungen und überkommene Rollenklischees würden dies noch verstärken. Fest steht: Je früher Mädchen in in alltäglichen und sportmotorischen Handlungsfeldern gefördert werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie gleichermaßen körperlich aktiv werden.

In einem nächsten Schritt wollen die Forscher die Auswirkungen des Champ-Lehrplans auf die motorischen Fähigkeiten und Aktivitäten von 300 Vorschulkindern untersuchen. Dabei sollen auch Aspekte der Selbstregulation und Autonomie erforscht werden, ebenso der Einfluss auf Konzentrations- und Merkfähigkeiten sowie andere Verhaltensweisen im Klassenzimmer. (chrit, 14.6.2018)