Die Vermessung eines Bankkunden: Sein digitales Nutzungsverhalten hinterlässt genug Daten, um ihm personalisierte Dienste anzubieten.

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Wien – Es ist ein gewaltiger Wandel, den Banken in Angriff nehmen sollten. Anderenfalls droht ihnen, dass sie auf halbem Weg in die digitale Zukunft auf der Strecke bleiben. Es geht um Personalisierung, also das Anbieten von genau auf Kundenbedürfnisse zugeschnittenen Lösungen, das sich aus Sicht der Beratungsgesellschaft Boston Consulting Group immer mehr zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor für Banken entwickelt. "Dieser Kulturwandel hin zur Personalisierung ist für viele Bankhäuser schwierig, nicht nur in Österreich", sagt Lukas Haider, Partner und Managing Director von Boston Consulting in Österreich.

Dennoch dürfte kein Weg daran vorbeiführen, wie eine Studie seines Hauses belegt. Demnach geben 58 Prozent der Konsumenten an, dass Personalisierung ein sehr wichtiger Faktor für die Wahl der Bank ist. Aber was steckt hinter diesem Schlagwort und wie ist es in der Praxis umzusetzen? Zunächst gilt es, die jeweilige Person genau kennenzulernen. "Ein besseres Verständnis des Kunden ist Voraussetzung für Personalisierung."

Was der Kunde wünscht

Zunächst gilt es Haider zufolge zu wissen, wann ein Kunde welchen Kanal zur Bank wählt. Geht er in eine Filiale, will er am Wochenende bei der Bank anrufen können, oder erledigt er alles digital per App? Will er aktiv angesprochen werden, und wenn ja, was sind seine Bedürfnisse? Um die Bedeutung dieser Fragen zu untermauern, liefert Haider ein Negativbeispiel aus der Praxis: "Es macht keinen Sinn einem Kunden, der 10.000 Euro auf dem Konto hat, einen Konsumentenkredit anzubieten."

Um diese Kundeninformationen zu erlangen, gelte es "zuzuhören – allerdings im digitalen Zeitalter". Damit meint der Boston-Consulting-Experte, alle Informationen, die ein Bankkunde durch sein ohnedies mehrheitlich digitales Nutzungsverhalten hinterlässt, entsprechend zu analysieren und zu verwerten. "Der Kunde gibt der Bank schon die Informationen", erklärt Haider. "Die Frage lautet, ob sich die Bank ausreichend damit beschäftigt."

Konkret gilt es, statische Daten mit jenen aus Transaktionen und dem Verhalten des Kunden sinnvoll zu verknüpfen und darin Muster zu erkennen. Für Haider eine Aufgabe, die den Bereich künstlicher Intelligenz streift, nämlich welche Muster ein entsprechender Algorithmus in den Daten eines großen Kundenstocks erkennen kann – und daraus die richtigen Handlungen zu erkennen. Also darin kleinere Gruppen mit spezifischen Mustern zu finden und personalisierte Angebote an diese Kunden abzuleiten.

Brachliegendes Potenzial

Generell sieht die Boston-Consulting-Studie für Banken großes Potenzial durch Digitalisierung, das aber noch weitgehend brachliege. Demnach zeigten Daten, dass die Betriebskosten stark digitalisierter Banken um 34 Euro pro Kunde geringer ausfallen und dass diese Banken gleichzeitig auch einen um 22 Euro höheren Ertrag erzielen würden verglichen mit den technologischen Nachzüglern. In Summe würden diese in Österreich und Deutschland mindestens 50 Millionen Euro pro Million Kunden wegen fehlender Digitalisierung liegen lassen.

Welche Rolle spielen Bankfilialen in diesem Kontext? Laut Haider vor allem in zwei Bereichen eine gewichtige, in denen persönlicher Kontakt und Vertrauen eine große Rolle spielen. Allerdings würden die Kunden dann auch mehr Kompetenz von den Beratern erwarten als bisher. Dies sei bei Wohnbaufinanzierungen der Fall, einem für manche "Once in a Lifetime"-Ereignis.

Ebenso sieht er in der Beratung und dem Treffen von Anlageentscheidungen Raum für persönlichen Kundenkontakt, zumal auch Verlustängste mitschwingen würden. Dabei bedürfe es objektiver Beratung, um passende Lösungen für die Kunden zu finden. Daneben werden sich auch sogenannte Robo-Advisors etablieren, also gewissermaßen standardisierte digitale Anlageberatung. "Jedes Haus braucht eine Robo-Advisor-Strategie", betont Haider. (Alexander Hahn, 16.6.2018)