Bei manchen Krebsarten kann womöglich auf belastende Therapien teilweise verzichtet werden, bei anderen wiederum sind Arzneimittelkombinationen, zusätzliche Strahlen-, Chemo- oder Immuntherapie offenbar wirksamer als bisher verwendete Strategien. Diese Erkenntnisse wurden jüngst bei der Jahrestagung der amerikanischen Onkologengesellschaft ASCO in Chicago vorgestellt.

Eine Studie mit 10.273 Patientinnen mit hormonabhängigem Brustkrebs ohne Möglichkeit einer Anti-HER2-Therapie und ohne Befall der Lymphknoten hat gezeigt, dass ein Gen-Mischtest (21 Gene analysiert; "Oncotype DX") ausreichend Sicherheit gibt, Patientinnen zu identifizieren, bei denen ein Risiko für einen Rückfall gegeben ist.

Damit könnte man 85 Prozent dieser Patientinnen mit einem geringen Oncotype-Risikoscore im Alter über 50 Jahren und 40 Prozent dieser Erkrankten im Alter unter 50 Jahren eine zu einer antihormonellen Behandlung zusätzliche Chemotherapie ersparen. Die Überlebensraten waren nach neun Jahren mit fast 94 Prozent mit oder ohne Chemotherapie hoch und de facto gleich, so Joseph Sparano vom Albert Einstein Cancer Center in New York.

Nicht immer ein Vorteil

Auch beim Nierenzellkarzinom ist eine möglichst radikale Behandlung nicht immer von Vorteil. Wie Arnaud Mejean von der Abteilung für Urologie der Descartes Universität in Paris und seine Co-Autoren bei 450 Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom herausgefunden haben, bewirkt die bisher in solchen Fällen übliche chirurgische Entfernung der betroffenen Niere und eine Behandlung mit dem zielgerichteten Krebsmittel Sunitinib keinen besseren Effekt. Vielmehr war die durchschnittliche Zeit, bis die Erkrankung fortschritt unter der medikamentösen Behandlung allein sogar etwas höher (8,3 Monate) als bei Operation und nachfolgender medikamentöser Therapie (7,2 Monate).

Eine intensivere Behandlung scheint hingegen bei Patienten mit Bauchspeicheldrüsenkrebs besser. Kranke mit einem Pankreaskarzinom haben eine besonders schlechte Prognose. In einer Studie der Phase III (Wirksamkeit) konnten Thierry Conroy vom Institut für Krebsforschung der Lorraine in Nancy bei Patienten mit einem duktalen Pankreaskarzinom der Bauchspeicheldrüse (90 Prozent der Erkrankten mit Bauchspeicheldrüsenkrebs) zeigen, dass eine Kombinations-Chemotherapie (mFolfirinox) nach Entfernung des Tumors im Vergleich zu einer Behandlung mit dem Chemotherapeutikum Gemcitabine alleine, die durchschnittliche Zeit bis zum Wiederauftreten der Erkrankung von durchschnittlich 12,8 auf 21,6 Monate fast verdoppelt.

Eine andere in Chicago vorgestellte Studie hat gezeigt, dass eine Chemo-Radiotherapie (Zytostatika und Strahlen) vor der Operation die Zwei-Jahres-Überlebensrate von Patienten mit einem Pankreaskarzinom von 30 auf 42 Prozent steigern kann.

Lebenserwartung steigern

Weitere Erkenntnisse gab es zu den neuen Immuntherapeutika, das sind monoklonale Antikörper gegen die Interaktion zwischen PD1-Oberflächenantigenen und deren Gegenstücke (PD-L1) auf Tumor und Immunzellen. Der Signalweg zwischen PD-L1 und PD-1 vermittelt die Unterdrückung der Abwehrkräfte durch die bösartigen Zellen. In einer Wirksamkeitsstudie zeigte sich, dass eine alleinige Behandlung von Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs bei Tumoren mit vielen PD-L1-Oberflächenanteilen mit dem Immuntherapeutikum Pembrolizumab die durchschnittliche Überlebensrate nach 12,8 Monaten von 12,2 auf 20 Monate anheben kann. Als Vergleich wurde eine herkömmliche Chemotherapie gewählt.

Bei einem nicht-kleinzelligen Plattenepithel-Bronchuskarzinom wiederum kann die Lebenserwartung durch Kombination eines ähnlichen Antikörpers (Atezolizumab) mit einer Chemotherapie ebenfalls gesteigert werden.

Auch völlig neue Antikörpertherapien könnten bei Krebs in Zukunft möglich werden. Der deutsche Pharmakonzern Merck hat in Chicago eine kleine Studie der Phase I (Ersterprobung am Menschen) präsentiert. Bei dem Wirkstoff handelt es sich um ein Protein-Fusionsmolekül, das einerseits den Tumor-Wachstumsfaktor Beta (TGF-Beta), andererseits auch PD-L1 unschädlich macht. Das wäre die Anwendung von zwei Therapiestrategien in einem Schritt. Für eine Aussage zur Wirksamkeit ist es derzeit aber noch zu früh. (APA, 15.6.2018)