Bis zuletzt hatten die Eisenbahnergewerkschaften gegen die Bahnreform demonstriert, jetzt hat der Senat für das Gesetz gestimmt.

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Paris – Der Kampf ist entschieden, das Resultat klar: Es lautet 2:0 für Emmanuel Macron. Nach der Arbeitsmarktreform von letztem Herbst setzt der französische Präsident auch die Umwandlung der Staatsbahn SNCF gegen den Willen der Gewerkschaften durch. Die Nationalversammlung stimmte am Mittwoch mit den Stimmen der Macron-Partei La République en Marche und der konservativen Republikaner für das Projekt. Am Donnerstag gab auch der konservativ dominierte Senat als zweite Kammer mit 245 gegen 83 Stimmen das Plazet.

Die Einheitsfront der Gewerkschaften hatte Anfang der Woche einen ersten, aber entscheidenden Riss erhalten, als die gemäßigte CFDT beschloss, ihre Streikbeteiligung für die Zeit der Maturaprüfungen auszusetzen. Nach Angaben der Bahndirektion waren am Mittwoch nur noch 13 Prozent der Mitarbeiter im Ausstand, ein Drittel der anfänglich Streikenden.

Erfolg für Macron

CFDT-Vorstand Laurent Berger hatte im vergangenen Jahr bereits die Arbeitsmarktreform ermöglicht. Jetzt hat Macron mit seiner Strategie "Herrsche und spalte" erneut Erfolg, machte er doch Berger einige Zugeständnisse. Das wichtigste besteht in der Übernahme der SNCF-Schulden in der Höhe von 35 Milliarden Euro. Den 147.000 SNCF-Beschäftigten gewährte er gewisse Jobgarantien, falls sie nach der Marktöffnung von 2019 (Regionalverkehr) und 2020 (TGV-Verkehr) in ein Privatunternehmen oder zurück wechseln. Festgeschrieben wird außerdem, dass die Société nationale des chemins de fer français (SNCF) "unveräußerbar" (incessible) ist – also unprivatisierbar.

Hingegen sieht die Reform die Umwandlung der Staatsbahn in eine Aktiengesellschaft des öffentlichen Rechts vor. Damit verliert die SNCF die Bürgschaftsgarantie des Staates; das dürfte ihre Zinslast erhöhen und sie indirekt zu einem Sparkurs zwingen.

Abschaffung des Statuts

Hauptpunkt der Reform ist die von der EU vorgeschriebene Marktöffnung. Macron kam den Gewerkschaften geringfügig entgegen, schottet er doch den Vorstadtverkehr im Großraum Paris bis 2033 vor privaten Konkurrenten ab. Hart blieb die Regierung bei der Aufhebung des Eisenbahnerstatuts (Pensionierung ab 52 Jahren, 50 Urlaubstage, lebenslanger Kündigungsschutz). Die Abschaffung des Statuts gilt indes nicht für bestehende, sondern nur für neue SNCF-Angestellte.

Die Franzosen waren laut Umfragen für das Ende des Eisenbahnerstatuts, aber auch gegen jede Privatisierung der SNCF. Indem Macron ihre "Unveräußerlichkeit" festschrieb, hatte er die öffentliche Meinung hinter sich. Anders als beim letzten großen Bahnstreik von 1995, als Präsident Jacques Chirac zurückkrebsen musste, haben sich die Zeiten generell geändert: Macron wurde nicht zuletzt mit dem Versprechen gewählt – und seither dabei unterstützt –, Frankreich zu reformieren.

Streik könnte fortgesetzt werden

Insofern kämpften die Gewerkschaften von Beginn an auf verlorenem Posten. Die ehemals kommunistische CGT und die linksradikale SUD könnten allerdings die Fortsetzung des "Perlenstreiks" (jeweils zwei Tage Streik, gefolgt von drei Tagen Arbeit) beschließen und damit die Abreise in den Sommerurlaub stören. Damit würde ihre Bewegung nur noch unpopulärer werden.

Auf jeden Fall schlittern die französischen Gewerkschaften in eine tiefe Krise. Entgegen einer landläufigen Meinung sind sie sehr schwach, auch wenn sie oft laut und spektakulär agieren: Nicht einmal acht Prozent der Erwerbstätigen sind Gewerkschaftsmitglieder. Mit dem Verlust des Eisenbahnerstatuts erleidet CGT-Vorsteher Philippe Martinez eine persönliche, aber auch sehr politische Niederlage, die einige Kommentatoren als "Genickbruch" bezeichnen. Macron deswegen als "französischen Thatcher" zu bezeichnen wäre allerdings ebenso übertrieben: Er hatte den Konflikt mit den Gewerkschaften sogar eher zu vermeiden versucht. (Stefan Brändle aus Paris, 14.6.2018)