Wolfgang Katzian ist der erste Angestellten-Vertreter an der Spitze des Gewerkschaftsbunds und der siebente Präsident insgesamt.

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Wien – Wolfgang Katzian ist neuer Präsident des österreichischen Gewerkschaftsbundes. Der 61-Jährige erhielt am ÖGB-Bundeskongress 91,6 Prozent der Delegiertenstimmen. Katzian ist damit der erste Angestellten-Vertreter an der Spitze des Gewerkschaftsbunds und der siebente Präsident insgesamt. Sein Vorgänger Erich Foglar hatte nicht mehr kandidiert und tritt in den Ruhestand.

Mit 95,9 Prozent der Delegiertenstimmen in seinem Amt als Vizepräsident bestätigt wurde der Beamtenvertreter und Christgewerkschafter Norbert Schnedl. Neu als Vizepräsidentin ist ÖGB-Frauenchefin Korinna Schumann, deren Wahl 97,5 Prozent zustimmten. Ihre Vorgängerin Renate Anderl ist mittlerweile Präsidentin der Arbeiterkammer.

Katzians Ergebnis entspricht in etwa den Resultaten seines Vorgängers. Foglar hatte bei seinem Erstantritt knapp 89 Prozent errungen und war beim zweiten Antritt mit 93,5 Prozent bestätigt worden.

Mit der recht deutlichen Kür von Wolfgang Katzian zum Präsidenten hat der ÖGB ein Zeichen der Geschlossenheit ausgesendet. Ob es auch ein Zeichen der Reformfreudigkeit war, wird sich in den kommenden fünf Jahren zeigen. Denn Katzian hat sich eine Strukturenänderung im Gewerkschaftsbund vorgenommen. Dies könnte sogar die schwierigere Übung werden als der Widerstand gegen Maßnahmen der Regierung.

Zeichen "ganz großer Geschlossenheit"

Der neue ÖGB-Chef Wolfgang Katzian wertete sein Votum als Zeichen "ganz großer Geschlossenheit und als ganz starkes Signal des Miteinander". Jeder wisse, was die Gewerkschaft nun zu tun habe, nämlich, sich für ein gutes Leben für Arbeitnehmer einzusetzen: "An dem werden wir unsere Arbeit orientieren. Wir sind nicht der Stachel gegen Regierung, Wirtschaftskammer oder sonst jemanden."

"Wir sind keine Hosenscheißer"

Die Ankündigung eines Kuschelkurses war das freilich nicht. Denn Katzian machte auch gleich "auf gut Wienerisch" klar: "Wir sind keine Hosenscheißer." Mit Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer will er noch heute telefonieren und möglichst ein Treffen aller Sozialpartner-Chefs vereinbaren. Dem folgte auch eine kleine Drohung. Wenn man die Sozialpartnerschaft nicht im bisherigen Sinn leben wolle, dann werde man sich eben auf Kollektivvertrags- oder Betriebsebene Gehör verschaffen müssen. Ein altes Gewerkschafterzitat anwendend meinte der ÖGB-Chef: "Wir reichen ihnen schon die Hand, aber wenn sie sie nicht annehmen, kann sie schnell zur Faust werden."

Für seine Organisation gab Katzian als Devise aus: "Wir müssen wachsen und wir müssen stärker werden." Und – er ist überzeugt, dass das gelingen wird.

Der neue ÖGB-Präsident ist freilich in sein Amt gestolpert, konkret über einen Kameramann; rappelte sich aber schnell auf, ganz wie es sich für einen Gewerkschafter gehört, wie Katzian befand. Es war übrigens nicht der erste einschlägige Vorfall eines Gewerkschaftschefs nach seiner Wahl. Fritz Verzetnitsch war dereinst beim Jubeln mit dem Sessel eingebrochen.

Bisher Erbpacht der Arbeitergewerkschaften

Die Wahl Katzians ist keine Selbstverständlichkeit, war das Präsidentenamt doch bisher eine Erbpacht der Arbeitergewerkschaften, unterbrochen bloß durch den Gemeindebediensteten Rudolf Hundstorfer, der im Zuge der BAWAG-Krise fast zufällig an die Spitze gespült worden war. Der 61-jährige gebürtige Stockerauer ist also der erste Privatangestellten-Vertreter, der zum Chef des ÖGB gewählt wurde.

Das ist kein Zufall. Der GPA-Vorsitzende ist ein gewerkschaftliches Schwergewicht, ein gewiefter Strippenzieher, der nicht nur die Position seiner Organisation gestärkt hat sondern nebenbei als Fraktionschef der sozialdemokratischen Gewerkschafter auch im Nationalrat den ein oder anderen Faden gezogen hat, etwa im Energiebereich, für den er Bereichssprecher war. In der Öffentlichkeit fast ebenso bekannt ist er als Präsident des Fußball-Bundesligisten Austria Wien. Selbst schwang er Golfschläger und Tennisracket.

Das Amt des ÖGB-Präsidenten gilt in der Gewerkschaftswelt eigentlich mehr als Repräsentationsjob, was nicht so recht zu Katzians Macher-Image passt. Anzunehmen ist, dass sich der neue Chef mit dieser Rolle nicht zufrieden geben will. Nicht umsonst hat er schon beim Bundeskongress den Wunsch nach einer Strukturreform angetönt. Auch will er den ÖGB für neue Gruppen öffnen, etwas, was ihm in der eigenen Gewerkschaft schon recht gut gelungen ist. Die GPA ist jedenfalls in der Außenwirkung die modernste und gesellschaftspolitisch am weitesten links stehende Teilorganisation der Gewerkschaft.

Klassische Gewerkschaftskarriere

An sich hat der neue Präsident eine klassische Gewerkschaftskarriere durchgemacht. Der gelernte Bankkaufmann hat in der GPA so ziemlich jede Funktion durchlaufen, die verfügbar war – vom Jugendsekretär über den Geschäftsführer bis eben zum Vorsitzenden. Nebenbei verdingte sich Katzian unter anderem auch als stellvertretender Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse sowie als Obmann der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, bis diese in die Pensionsversicherungsanstalt für Arbeiter integriert wurde.

In der Öffentlichkeit tritt Genussmensch Katzian stets hemdsärmelig auf. Die Verwendung von Dialekt scheut er bei seinen Auftritten nicht. Redner ist er kein schlechter, manchmal zaudert er jedoch, auf den Punkt zu kommen und wird sperrig. Lieber erreicht er seine Ziele durch Verhandlungsgeschick als durch Poltern in der Öffentlichkeit. Zu glauben, dass er sich deswegen scheuen würde, den ÖGB in einen Streik gegen die Regierung zu führen, wäre jedoch ein Fehler. Katzian steht zwar an sich für die Sozialpartnerschaft, konfliktscheu ist er aber nicht, wie diverse Kampagnen seiner GPA gegen prominente und auch beliebte Handelsketten bewiesen haben. (red, APA, 14.6.2018)