Präsident Erdoğan in Erklärungsnot.

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Ein verwackeltes Video ist zum großen Gesprächsthema in der Türkei geworden: Staatspräsident Tayyip Erdoğan hat führende Funktionäre seiner Partei zu Bemühungen angehalten, die prokurdische Oppositionspartei HDP am Wahltag unter die Zehnprozenthürde für den Wiedereinzug ins Parlament zu drücken. "Ich sage das draußen nicht", erklärte Erdoğan und fügte hinzu: "Das wird keine leichte Sache sein."

Die Funktionäre sollen demnach sicherstellen, dass sie in den Wahlkommissionen in den einzelnen Wahllokalen das Sagen haben. "Wir müssen dort sehr umsichtig vorgehen", erklärte Erdoğan in der Rede, die er am Freitag vergangener Woche am Parteisitz der AKP in Istanbul vor Provinzfunktionären hielt. Sie sollen am Wahltag als Erste in den Wahllokalen sein und auch alle Plätze in den Wahlkommissionen auffüllen, wenn die Vertreter der anderen Parteien nicht rechtzeitig erscheinen.

Mit Blick auf die 17-Millionen-Metropole Istanbul, wo Wahlen im Land entschieden werden, sagte Erdoğan: "Wenn wir die Mehrheit in den Wahlkommissionen sichern, dann haben wir in Istanbul die Sache noch vor dem Beginn (der Abstimmung, Anm.) erledigt."

"Aufruf zu Straftat"

Die HDP sprach von einem "Aufruf zu einer Straftat". In der Türkei sind am 24. Juni vorgezogene Präsidenten- und Parlamentswahlen. Gelingt der HDP wie schon 2015 der Sprung über die Zehnprozenthürde, könnte sie mit 60 oder mehr Abgeordneten ins Parlament einziehen. Dies könnte der AKP die absolute Mehrheit kosten.

Erdoğans Rede hatte ein Parteifunktionär auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht. Sie wurde rasch gelöscht, als sie in den sozialen Medien von Donnerstag an weiterverbreitet worden war. (Markus Bernath, 14.06.2018)