Ein neuer Hochgeschwindigkeitszug soll den alten ICEs (Bild) deutlich überlegen sein.

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Krefeld – Die Spitze des Schweißgeräts blitzt blau, es riecht verbrannt. Ein Mitarbeiter mit Atemschutzmaske kniet im silberfarbenen Aluminiumgerippe eines künftigen Zugwaggons. Im deutschen Krefeld entsteht der Wagenkasten für einen neuen Regionalzug, den Siemens für Pendler produziert.

Hier montiert der Technologiekonzern auch die Wagen für den neuen ICE 4 – und hier entwickelt Siemens auch seinen neuesten Hochgeschwindigkeitszug, den "Velaro Novo".

An dem Zukunftsprojekt der Zugsparte arbeitet bereits seit 2013 ein Team von bis zu 300 Entwicklern. Sie bauen am Nachfolger des "Velaro" – in Deutschland als ICE 3 bei der Deutschen Bahn im Dienst.

360 km/h schnell

Die beiden Chefs der Zugsparte, der Deutsche Michael Peter und die Französin Sabrina Soussan, versprechen Großes: Schneller soll der Zug sein, nämlich bis zu 360 Stundenkilometer. Sparsamer soll er sein und bei Tempo 300 ein Drittel weniger Strom verbrauchen als der Vorgänger. Größer soll er sein, und ein Zehntel mehr Platz bieten. Und mehr Flexibilität verspricht Siemens auch: Das Innere sollen die Käufer nach ihren Wünschen gestalten können.

Der Zeitpunkt der Präsentation im Vorfeld der Transportmesse Innotrans wirkt wie eine Botschaft aus Krefeld Richtung Paris. Denn im August wird Siemens seine Mobilitätssparte aus dem Mutterkonzern ausgliedern, um sie spätestens im ersten Halbjahr 2019 mit dem französischen Zugbauer Alstom zu fusionieren.

Siemens-Chef Joe Kaeser hatte der Zeitung "Le Figaro" gesagt: "Siemens Alstom wird ein französisches Unternehmen sein." Mit Hauptquartier in Frankreich, einem französischen Chef und Notierung an der Pariser Börse. Doch obwohl Alstom mit dem TGV selbst einen erfolgreichen Hochgeschwindigkeitszug baut, treibt Siemens sein Konkurrenzprojekt weiter voran. Seit April fährt ein Testwaggon des "Velaro Novo" bei der Deutschen Bahn.

Ab 2023 erste Passagiere

Das deutsche Prestige-Projekt soll noch auf Jahre weiterlaufen – auch, weil Siemens schon viel Geld investiert hat. 2023 könnten nach Unternehmensangaben die ersten regulären Passagiere im neuen Zug sitzen. Bestellungen gibt es allerdings noch nicht.

Der "Velaro Novo" ist ein deutliches Signal, dass die deutsche Hälfte des künftigen Konzerns nicht unter die Räder geraten soll, zumindest für die nächsten fünf bis zehn Jahre. Was das in Bezug auf den Abbau von Doppelstrukturen heißt, wo also Arbeitsplätze wegfallen, wie es bei Fusionen die Regel ist, muss sich zeigen. Die beiden Spartenchefs halten sich bedeckt: "Alstom und Siemens sind bis zum Abschluss der Fusion Konkurrenten", betont Soussan.

Als die gebürtige Pariserin gefragt wird, welchen Zug sie bevorzuge, den ICE oder den TGV, antwortete sie lächelnd: "Ganz politisch korrekt würde ich sagen: Ich finde beide gut". (APA, 14.6.2018)