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Keine Sorge, John Cleese erklärt an dieser Stelle nur einen Witz über eine alte Dame: In "Last time to see me before I die" erneuert er seine Liebe für makabren Humor.

Foto: Martin Steiger / Bildagentur Zolles / Picturedesk

Die Frage, was dieser "steinalte britische Komiker" auf der Bühne der Stadthalle verloren hat, wie John Cleese selbstironisch anmerkt, ist natürlich unberechtigt. Und der Titel der aktuellen Show des Monty-Python-Mitglieds, Last time to see me before I die, zum Glück auch nur ein Beispiel für entwaffnenden Sarkasmus. Der 78-Jährige wirkt erfreulich robust, ja quietschfidel. Manchmal hängt ihm im Überschwang der Bauch aus dem Hemd. Er sei aus pekuniärer Not hier, verrät er die Motive für die Tour, um dann ein Bild seiner Exfrau einzublenden – wie sie beim Bankomaten steht und fleißig Geld abhebt.

Letzterer Gag ist vermutlich sogar wahr. Man erinnert sich an den Rosenkrieg mit seiner dritten Frau Alyce Faye Eichelberger, der mit einem denkwürdigen Geständnis geendet hat: "Das letzte Mal, dass ich für Sex gezahlt habe, hat es mich 20 Millionen Dollar gekostet." Cleese hält sich dann aber nicht lange mit Privatem auf. Er weiß, dass sein Publikum aus anderen Gründen gekommen ist. Nennen wir es Rendezvous mit einer Legende: Ein bisschen Nostalgie darf sein, wenn sie als anarchisch-unverschämter Witzecocktail gereicht wird.

Verrückter Onkel

Die erste Hälfte des Abends steht so im Zeichen der Reminiszenz. Mit der Knorrigkeit eines Langzeitpubsitzers bewahrt Cleese ihn davor, zu sentimental zu werden. Ein wenig ist es so, als treffe man einen leicht verrückten Onkel nach langer Zeit endlich wieder. Der erzählt dann etwa davon, wie er mit fünf Mitstreitern beim BBC-Comedy-Chef 1969 wegen einer Sendung vorsprach. "Nicht die geringste Idee" hätten die späteren Monty Pythons davon gehabt, worum es darin gehen sollte – dumme, absurde Witze, das war das einzige Konzept.

"Go away and make 13 programmes", lautete dann zur eigenen Überraschung der Auftrag. Wer weiß, was der Mann in den jungen Männern sah, die teilweise in Oxford studiert hatten. Der Rest ist Geschichte. Und zwar in mehrfachem Sinne, denn solcher Mut zum Experiment ist nicht nur aus TV-Anstalten längst ausgezogen. Cleese komprimiert solche Anekdoten zu einem Stück Mediengeschichte. In einem zugespielten Sketch verkörpert er einen steifen Anchorman, dem die "News" wortwörtlich aus den Händen gestohlen werden.

Monty Python

Das war auch Teil des Monty-Python-Irrsinns: Sie sprengten Sehgewohnheiten und die biedere Zugeknöpftheit des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Eines der schönsten Komplimente, die Cleese je zu hören bekam, war das Geständnis eines Mannes, der nach Python-Konsum keine Nachrichten mehr anschauen konnte.

Nach der Pause widmete sich Cleese mehr dem Handwerk und der Kunst der richtigen Pointe. Was ist das überhaupt, ein guter Witz? Die Frage erscheint in Zeiten, wo staatsmännische Realsatire auf politische (Über-)Korrektheit trifft, wieder delikat. Cleeses Antwort ist trotz grassierender Komikkrise eindeutig. Die besten Gags sind hundsgemein.

Rassistische Witze

Was ist schwarz-weiß und kriecht auf dem Boden? Eine verletzte Nonne. Der platzende Fresssack samt projektilhaftem Erbrechen (mächtig verkörpert von Terry Jones) war ein "Durchbruch in der Beleidigung von Menschen". Das Töten von kleinen Tieren? Immer lustig (besonders: Yorkshire Terrier!). Und alles viel besser als eine Sitcom über Franz von Assisi.

Cleese gesteht auch sein Faible für Witze über Rassen und Kulturen ein. Ist das schon Altherrenhumor? Er rechtfertigt es britisch als "liebevolle Hänselei" – dafür benötigt es das liberale Einverständnis darüber, dass wir alle Mängelexemplare sind. Was Cleese mit seiner von Franzosen bis zu Juden sich steigernden Witzkaskade aber vor allem demonstriert: Das richtige Timing hebt selbst müde Pointen noch in die Höh'. And now for something completely different. (Dominik Kamalzadeh, 15.6.2018)