Er ist ein "Brandstifter", der die Sparer "enteignet" und Europa in den "Bankrott" treibt: Der Italiener Mario Draghi ist in seiner Zeit als Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) zum beliebten Feindbild deutscher Medien geworden. Kein Wunder, Draghi hat mit der typischen deutschen Zurückhaltung in der Zentralbankpolitik gebrochen und 2015 ein umfassendes Notfallprogramm gestartet. Seither hat die EZB 2,4 Billionen Euro für den Ankauf diverser Finanzmarktpapiere ausgegeben, insbesondere Staatsanleihen. Da die EZB nun ihr Programm stoppen wird, ist es an der Zeit, Bilanz zu ziehen. Und sie lautet: Draghi hat seine Sache gut gemacht.

Was die Aktivitäten der Zentralbank exakt gebracht haben, lässt sich nicht beweisen. Niemand weiß, wie sich die Eurozone entwickelt hätte, hätten die Währungshüter das getan, was ihnen in Deutschland geraten wurde: nichts. Doch vieles spricht dafür, dass Draghi zur Stabilisierung Europas beigetragen hat. Als eine Folge der EZB-Politik ist der Wert des Euro gegenüber anderen Währungen gefallen. Das hat Exporteuren aus Österreich, Italien und anderen Euroländern geholfen, ihre Maschinen und Kühlschränke in aller Welt zu verkaufen. Die EZB hat außerdem die Kreditkosten für Unternehmen in Südeuropa gedrückt. Das hat Investitionen im Süden wieder interessanter gemacht.

Oberstes Ziel der Maßnahmen der Notenbank war, die Inflation ansteigen zu lassen. Steigen die Preise nicht oder sinken sie sogar, wächst die Gefahr, dass Unternehmen aufhören zu investieren. Die Krise wird dann zum Dauerzustand. Diese Gefahr ist heute weitgehend gebannt.

Die Kritiker Draghis wenden ein, die EZB habe mit ihrer Niedrigzinspolitik Sparern geschadet. Dieses Argument beruht auf einem Missverständnis der Geldpolitik. Aufgabe der EZB ist nicht, Sparern Zinsen zu garantieren, sondern für Preisstabilität, also eine Inflationsrate von etwa zwei Prozent, zu sorgen. So steht es im Mandat der Notenbank.

Ein anderer Einwand lautet, die EZB habe den Reformdruck von Südeuropa genommen. Das ist richtig. Durch die Zentralbank sind die Kreditkosten für Italien, Spanien und Portugal gesunken. Ohne diese Luft zum Atmen wäre die Eurozone aber schon explodiert, weil sich die Länder Südeuropas den Euro nicht mehr hätten leisten können.

Ist damit alles gut? Nein. Die Eurozone bleibt ökonomisch und politisch fragil. Die EZB hat nur dafür gesorgt, dass das Fundament, auf dem sie steht, etwas stabiler ist. (András Szigetvari, 14.6.2018)