Moskau/Luschniki – Die Eröffnungsfeier im mit 78.011 Zuschauern ausverkauften Luschniki-Stadion war selbstverständlich stimmungsvoll und farbenfroh. Wladimir Putin begrüßte von Moskau aus die ganze Welt, sagte unter anderem: "Unser Herz schlägt sehr hoch für diesen Sport. Wir sind ein offenes, gastfreundliches Land, in dem unsere Gäste viele Freunde finden werden." Fifa-Präsident Gianni Infantino hielt sich in seiner Ansprache bewundernswert kurz.

Kein Leckerbissen

Das anschließende Spiel zwischen Russland und Saudi-Arabien hat die niedrige Erwartung zunächst vollauf erfüllt, die Nummer 70 traf die Nummer 67 der Weltrangliste. Es entwickelte sich ein ziemliches Gemurkse, die Anzahl der Abspielfehler und Ballverluste war frappant, Saudi-Arabien lag in diesen Wertungen aber von Anstoß an vorne. Russland ließ auf eher niedrigem Niveau keine Zweifel daran aufkommen, wer der Herr im Haus ist.

12. Minute: Flanke Alexander Golowin, Juri Gasinski köpfelt das umjubelte 1:0. Ob diese Tat ihn in den Status des Volkshelden befördert, wird sich weisen. Die Biederkeit der Saudis war besorgniserregend, eine Halbchance hat es aber gegeben.

43. Minute: Denis Tscheryschew trickst zwei Verteidiger aus, erhöht auf 2:0. Er war für Alan Dsagojew gekommen, der hatte sich ohne Fremdeinwirkung verletzt. Die Partie war also schon vor der Pause entschieden.

Stimmen der russischen Fans vor der Partie.
DER STANDARD

Joker stechen

Trainer Stanislaw Tschertschessow hatte gleich zweimal das, was man salopp glückliches Händchen nennt. 71. Minute: Der für die zweite Hälfte eingewechselte Artem Dsjuba macht das 3:0, wieder Flanke Golowin, wieder Kopftor. Putin applaudierte auf der Ehrentribüne und lächelte fast.

Danach war die Sbornaja gelöst, zeigte richtigen Fußball, die Spielfreude nahm zu, die Nervosität war weg. Weitere, schöne Tore folgten in der Nachspielzeit: 91. Minute: Der starke Tscheryschew schießt den Ball vom Sechzehnereck mit dem linken Außenrist in die Kreuzecke. 94. Minute: Golowins Freistoß zum 5:0 ist eine Augenweide, er krönt damit seine gute Leistung.

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Für Saudi-Arabien gab es wenig zu holen.
Foto: REUTERS/MAXIM SHEMETOV

"Es waren nur drei Punkte"

Für die Stimmung ist der Kantersieg ein Segen, eine Niederlage hätte für eine kollektive Depression im Land gesorgt. Aber diese Frage hat sich nie gestellt. Saudi-Arabien, das mit 59 Prozent deutlich mehr Ballbesitz hatte, wird die Vorrunde nicht überstehen, Russland möglicherweise schon, wobei die weiteren Gruppengegner, Ägypten und Uruguay, ganz andere Kaliber sind.

Juan Antonio Pizzi, Teamchef der Deklassierten, lächelte gequält, als er gefragt wurde, ob er nach dieser Vorstellung von den Scheichs abgelöst wird. Er ging nicht davon aus, sagte: "Wir haben nicht verloren, weil sie so gut, sondern weil wir so schlecht waren. Ich vertraue meinem Team."

Der im Vorfeld heftig kritisierte Tschertschessow war logischerweise erleichtert. "Ein 5:0 habe ich mir nicht einmal erträumt. Es ist ein bisschen hoch vielleicht. Aber wichtig ist, dass die Begeisterung da ist. Morgen ist aber wieder ein neuer Tag, Es waren nur drei Punkte."

Gegen Ende schlug es öfters im Tor der Saudis ein.
Foto: APA/AFP/MLADEN ANTONOV

Putin gratuliert

Doppeltorschütze Tscheryschew, er kickt im Alltag in Spanien für Villarreal, wurde als bester Spieler ausgezeichnet. Während dieser Ehrung musste der Teamchef den Pressekonferenzsaal kurz verlassen. Er dozierte nach dem Rekordsieg über Taktik und die neue russische WM-Euphorie, als sein Handy vibrierte. Er entschuldigte sich, stand auf, ging vor die Tür. Schließlich war Putin dran, um höchstpersönlich zum perfekten Start zu gratulieren. "Das war der Präsident", sagte Tschertschessow und setzte sich wieder neben den staunenden Doppelschützen. "Hat er über mich gelästert, als ich draußen war?" Womit die 21. Fußball-WM ihren ersten Witz hatte.

Die erste Runde der Gruppe A wird am Freitag (14 Uhr MESZ, Liveticker auf derStandard.at) mit dem Duell zwischen Ägypten und Uruguay abgeschlossen. (Christian Hackl aus Moskau, 14.6.2018)

WM in Russland, Gruppe A, Donnerstag

Russland – Saudi-Arabien 5:0 (2:0)
Moskau, Luschniki-Stadion, 78.011 Zuschauer, SR Pitana (ARG)

Tore:
1:0 (12.) Gasinski
2:0 (43.) Tscheryschew
3:0 (71.) Dsjuba
4:0 (91.) Tscheryschew
5:0 (94.) Golowin (Freistoß)

Russland: Akinfejew – Fernandes, Kutepow, Ignaschewitsch, Schirkow – Gasinski, Sobnin – Samedow (64. Kusjajew), Golowin, Dsagojew (24. Tscheryschew) – Smolow (70. Dsjuba)

Saudi-Arabien: Al-Muaiuf – Al-Schahrani, Os. Hausawi, Om. Hausawi, Al-Buraik – Otayf (64. Al-Muwallad) – Al-Schehri (74. Babhir), Al-Dschassim, Al-Faradsch, Al-Dausari – Al-Sahlawi (84. Asiri)

Gelbe Karten: Golowin bzw. Al-Dschassim

Stimmen:

Stanislaw Tschertschessow (Teamchef Russland): "Wir haben uns gezielt auf den Tag vorbereitet. Das war der richtige Zeitpunkt. Der Sieg im ersten Spiel ist wichtig. Drei Punkte sind da. Es ist ein Turnier, es endet nicht mit diesem Spiel. Ich war gestern entspannt und bin es heute, weil ich meine Spieler kenne. Es ist eine Freude, mit ihnen zu arbeiten. Jeder Trainer hängt von seinen Spielern ab, deshalb bin ich entspannt."

Juan Antonio Pizzi (Teamchef Saudi-Arabien): "Wir haben nicht verloren, weil sie so gut, sondern weil wir so schlecht waren. Es war ein hartes Spiel, wir mussten eine schwere und unerwartete Niederlage hinnehmen. Russland hat es gut gemacht, wir waren in keiner guten Verfassung. Der Gegner hat uns nicht überrascht, das Ergebnis war das Resultat unserer schlechten Leistung. Wir müssen das jetzt vergessen und an das nächste Match denken. Ich habe Vertrauen in meine Spieler."

Denis Tscheryschew (Doppeltorschütze Russland): "Ich hätte mir so etwas nicht träumen lassen. Ich war schon glücklich, nur im Kader zu sein."

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WM 2018: Gruppe A