Marilyn Manson gab sich am Nova Rock "part austrian".

Foto: APA/Herbert P. Oczeret

Die Show des US-Stars fand bei strömendem Regen statt.

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Das Austropop-Duo Seiler und Speer überzeugte das Publikum.

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Nickelsdorf – Dem Erfinder des Rindenmulchs sollte man posthum den Nobelpreis für praktische Physik verleihen. Es ist nämlich erstaunlich, welch stabilisierende Kraft die kleinen Hackschnitzel entfalten, wenn einem gerade der Boden unter den Füßen wegschwimmt. Dumm nur, dass es auf Festivals immer zu wenig davon gibt. So versank das 14. Nova Rock im burgenländischen Nickelsdorf schon am Starttag stellenweise im knöcheltiefen Morast. Man hatte es ja geahnt, aber wieder einmal nicht geglaubt!

Die Saison der großen Musikfestivals hat wieder begonnen. Los ging es am Donnerstag mit Österreichs größtem Rockfestival, dem Nova Rock bei Nickelsdorf im Burgenland. Bis Sonntag werden mehr als 200.000 Besucher erwartet.
ORF

Keinen Schlamm, sondern Kunstblut fließen ließ die Sängerin Arrow de Wilde von der jungen US-Band Starcrawler. Sie ist eine von nur 3,8 Prozent an Künstlerinnen am Festival. Als solche durfte sie mit ihrer sehenswert schaurigen Horrorrockshow auf der kleineren Bühne den Anfang machen. Sicherlich hätten Starcrawler auch einen späteren Termin mit mehr Publikum und längerer Auftrittsdauer gut gefüllt. Aber da musste zum Beispiel eine altpubertäre Supergroup wie Dead Cross ("What should I eat here? Cock? Did you say cock? Everybody say cock!") Dampf ablassen. Hat auch den Ohren nicht gut getan.

StarcrawlerVEVO

Zur Heilung traten bald darauf Skillet an. Die Band, die auf Vorschlag eines Priesters gegründet wurde, versteht sich als christlich, verzichtet aber auf explizit missionarische Töne. Geboten wird ein Metal-Disco-Käse-Mischmasch von und für Leute, die sich schwertun mit Entscheiden und so. Für himmlisches Pathos sorgt ein Cellist, optisch näher an der Kelly Family als an Apocalyptica. Dafür baut der Rest der Band auf Achselrasur, Zahnbleaching und gefärbte Bärte. Alle paar Minuten musste außerdem mit dem Handy das Publikum dokumentiert werden. Aber gut: Das macht heute sogar der Papst.

Auf einer Art Papamobil fuhren übrigens die deutschen Youtube-Animateure von Kraftklub am Höhepunkt ihrer gut besuchten Show durchs Publikum. Seiler und Speer wäre das zu anstrengend gewesen. Ihr Metier ist der Tachinierer-Blues und Owezahra-Soul. Bekannt geworden sind die beiden Schmähbrüder aus Bad Vöslau mit der Satireserie "Horvathslos" auf Youtube. Berühmt geworden sind sie ab 2015 mit dem Charthit "Ham kummst". Live trifft hier ein gut zu tanzender Zillertaler-Reggae auf Stritzi-Spruch mit Meidlinger L und Roland-Düringer-Gedächtnis-Fleischhaube. Ein Duo, wie geschnitzt fürs Nova Rock.

Heimatsound

Gar nicht so weit weg davon war an diesem Abend auch Marilyn Manson. Der frühere "Schockrocker" und gute Freund von "Schockmaler" Gottfried Helnwein "schockt" heute nur noch, wenn ihm – wie vergangenen Herbst – ein meterhohes Bühnenteil auf den Kopf fällt. Künstlerisch war Manson mit dem Album "The Golden Age of Grotesque" 2004 am Zenit. Die Faschismus-Versatzstücke, mit denen er das Antichristen-Image damals noch einmal toppen konnte, wirken heute altbacken.

Die zusätzliche Spielzeit, die Manson wegen des Ausfalls der Toten Hosen blieb, füllte er mit lähmenden Umziehpausen oder mit der Einladung an alle Kostümierten in der ersten Reihe, auf die Bühne zu kommen. Als er dann einem Dinosaurier, einer Kuh und einem Morphsuitträger gegenüberstehend bekannte, nicht nur polnische, sondern auch österreichische Wurzeln zu haben, drängte sich eigentlich nur noch ein Gedanke auf: Herr, erbarme dich unser! (Stefan Weiss, 15.6.2018)