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Wodka soll mit einer neuen Handy-App helfen, die Geschlechterungleichheit aufzuheben.

Foto: AP Photo/Mike Groll

Laut dem US-Branchenblatt "Billboard" war das Jahr 2017 das Jahr der Männer. Erstmals seit 1984 wurden in den US-Verkaufsrängen für Musik die Top-Ten-Platzierungen in den drei wichtigsten Kategorien ausschließlich von Männern eingenommen. Sei es in der Rubrik "Top Artists", "Top Billboard 200 Albums" oder "Top Billboard Hot 100 Songs", keine einzige Frau in Sichtweite.

Eine weitere Analyse ergab, dass auch bei einem der wichtigsten Streamingdienste die Lage ähnlich ist. Die zentralen drei Playlists auf der im Mitbesitz von Konzernen wie Universal, Warner und Sony befindlichen Plattform Spotify ergeben ein identes Bild. Die am häufigsten gestreamten Tracks auf "Today's Top Hits", "Rap Caviar" und "Rock This" stammen allesamt von Männern.

Eine neue App auf Spotify soll nun Abhilfe schaffen. Ausgerechnet eine Wodkamarke nimmt sich nun des feministischen Gedankens an. Sie nennt sich "The Smirnoff Equalizer". Es handelt sich um einen "Discovery Tool" in Sachen Algorithmus. Algorithmus ist heutzutage eine große Sache. Abgesehen davon, dass natürlich nicht nur Männer mehr Wodka trinken sollen, sondern auch Frauen, will der "Smirnoff Equalizer" Folgendes leisten: Er bietet an, geschlechtliche Ungerechtigkeiten auszugleichen und als weitere Vorschläge für den Nutzer in dessen Playlists eben so viel Musik von Frauen wie Männern anzubieten.

Russische Vitamine krabbeln in die Handys

Wenn man den Equalizer als in den USA notwendigerweise volljähriger Nutzer in Betrieb setzt, krabbeln also ganz viele kleine "russische Vitamine" in die Handys eines Users und analysieren das Nutzerverhalten seiner letzten sechs Monate. Unter der Voraussetzung, dass es mit Mann und Frau nur zwei Geschlechter gibt (was in der binären Welt gern gesehen wird), wird ein prozentuelles Verhältnis von konsumierter "männlicher" und "weiblicher" Musik ausgerechnet, das dann dieses katastrophale Gesamtbild ergibt. Sieht man sich im Internet ein wenig um, kommen bei diversen Selbstversuchen, egal ob von Mann oder Frau unternommen, meistens Ergebnisse im Verhältnis von ungefähr 80 Prozent männerdominierte Songs zu 20 Prozent Lieder von Frauen heraus.

Die Frage ist nun folgende: Bei Spotify und anderen Streamingdiensten sitzen ja auch Analysten und Playlist-Programmierer, die das Nutzerverhalten insofern optimieren wollen, als dem Kunden immer noch mehr davon geboten werden soll, was er sowieso schon hört. Wenn man also dieses über die Wodka-App untersuchte User-Verhalten entsprechend auswertet und Musik mit niedriger Zugriffsrate aus den Playlists kippt, haben wir es in Zukunft nicht nur mit einer Verlängerung der Geschlechterungleichheit zu tun, sondern mit einer Forcierung derselben. Das ist kulturpessimistisch gedacht. Na sdorówje. (Christian Schachinger, 18.6.2018)