Genf – Startschuss für den Ausbau des Teilchenbeschleunigers LHC : Mit dem heute, Freitag, gestarteten Projekt HiLumi LHC (von "High Luminosity") soll der Teilchenbeschleuniger der Europäischen Organisation für Kernforschung (Cern) zu neuen Höchstleistungen gebracht werden. An dem 27 Kilometer langen ringförmigen Tunnel nahe Genf werden dafür neue Tunnelstücke angebaut. Dazu kommen weitere Ausbauprojekte, die Gesamtinvestitionen betragen fast eine Milliarde Euro.

Die neuen Tunnel in 100 Metern Tiefe können nur gebohrt werden, wenn der Beschleuniger still steht. Die Vibrationen der Bohrmaschinen würden die sensiblen Instrumente stören. Deshalb beginnen die Bauarbeiten jetzt schon einmal an der Erdoberfläche, denn der Beschleuniger wird im Dezember für eine zweijährige Routine-Wartung abgeschaltet. 2021 startet er noch mal im "alten" Modus. Ab 2025 sollen alle neuen Kabel, Magneten und Messinstrumente installiert sein, damit der Super-Beschleuniger dann an den Start gehen kann.

Hintergrund

Der LHC (Large Hadron Collider) hat seinen Namen von den Kollisionen, die die Physiker erzeugen, wenn sie Protonen in entgegengesetzter Richtung durch den Tunnel schießen und sie dabei auf annähernd Lichtgeschwindigkeit beschleunigen. Zu "Paketen" von jeweils über 100 Milliarden gebündelt, drehen die Protonen pro Sekunde 11.000 Runden. Gezielt erzeugte Kollisionen sollen die Bedingungen während der ersten Nanosekunden nach dem Urknall simulieren und damit Aufschluss über die Entstehung der Materie geben.

Entscheidend ist für Forscher dabei die Zahl der erzeugten Kollisionen, die sogenannte Luminosität. Diese liegt derzeit bei einer Zahl von einer Milliarde Proton-Proton-Kollisionen und soll durch den aktuellen Umbau bis 2025 um den Faktor 5 bis 7 erhöht werden.

Anspruchsvolle Immobilie

Dafür muss nun gebohrt und getunnelt werden. Oliver Brüning ist Vize-Projektleiter und sagt: "Es ist wie bei einer Hausrenovierung. Man baut eine neue Heizung ein, die effizienter ist, aber um mehr zu heizen braucht man mehr Holz und entsprechend größere Keller." Allerdings musste für eine so anspruchsvolle Immobilie wie den LHC vieles vom nötigen Material für die Bauteile erst entwickelt werden.

Weil die Magnete stärkere Magnetfelder erzeugen sollen, mussten die Cern-Spezialisten erst Kabel entwickeln, die das aushalten können. Auch für den Stromtransport von der Steckdose zu den Magneten schufen sie Kabel aus neuen Materialen, in diesem Fall Magnesiumdiborid, einem selbst bei hohen Temperaturen superleitenden Material. Damit kann der Energieverbrauch für den Betrieb der Magnete gedrosselt werden. "Das ist auch für die Industrie interessant", sagt Brüning.

Viele Cern-Erfindungen sind heute Allgemeingut, als Komponenten in Handys, bei diagnostischen Prozessen wie der Computertomografie, in der Halbleiterproduktion und bei der Tumorbehandlung. Und natürlich "die Mutter aller Erfindungen": das am Cern entwickelte World Wide Web, das Internet. Als staatlich finanzierte Organisation stellt das Cern der Gesellschaft Entwicklungen ohne Patent zur Verfügung. (red, APA, 15. 6. 2018)