Wer eine Stiege hinaufläuft, läuft auf den Ballen. Das ist für viele ungewohnt.

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Franziska Zoidl beschäftigt sich beruflich mit Fitness und Gesundheit. Das beeinflusst auch ihre Freizeitgestaltung.

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Stiegensteigen ist gesund. Diese Bewegungsform empfiehlt sich beispielsweise im Büro, um das Herz-Kreislauf-System in Schwung zu bringen. Stiegenlaufen ist eine verschärfte Version davon – besonders, wenn es sich bei dieser Stiege um die Markwardstiege in Wien-Hietzing handelt und es sechs Uhr morgens ist.

Um diese Uhrzeit traf ich mich vor kurzem mit einigen anderen Läufern, um die 419 Stufen der Stiege zu bezwingen. Letztes Jahr hatte mich die Herausforderung eines Stiegenlaufes, wie berichtet, noch relativ unvorbereitet getroffen. Dafür bezahlte ich mit einem ordentlichen Muskelkater, der gleich mehrere Tage anhielt.

30 Minuten Stiegenlaufen

Heuer war ich besser vorbereitet. Ich habe beim Lauftraining öfters einmal Hügel und manchmal – zugegebenermaßen nicht so oft, wie ich es mir vorgenommen hatte – Stiegen angesteuert, die ich brav hinauf- und hinunterlief. Beim Anblick der 419 Stufen musste ich trotzdem schlucken. Diese sollten nämlich nicht nur einmal, sondern 30 Minuten lang so oft wie möglich hinauf- und wieder hinuntergelaufen werden.

"Schießt euch nicht gleich beim ersten Mal ab", riet uns der Lauftrainer Walter Kraus von Runtasia, der den Stiegenlauf organisiert hatte, noch. Dann legten wir los, jeder in seinem Tempo. Die erste Läuferin zog gleich zügig davon, dahinter folgten etwas zögerlicher die übrigen Morgensportler und -sportlerinnen.

Mit kleinen, sehr kleinen Schritten lief auch ich los. Ziemlich rasch, nämlich nach gut der Hälfte der Stiege, begannen meine Beine zu brennen, und ich kam ins Schnaufen. Was mir half: Nicht nach oben schauen, sondern den Fokus auf jede einzelne Stufe legen. Denn das Hinaufschauen war für meine Motivation schlecht, außerdem wurde mir dabei schwindlig.

Ungewöhnliche Belastung

Warum das Stiegenlaufen so anstrengend ist? Weil die Oberschenkelmuskulatur stark gefordert wird, besonders der Quadriceps und die Gesäßmuskulatur, wie der Sportwissenschafter Yue-Zong Tsai von der Sporthalle Wien erklärt.

Auch die Körperhaltung unterscheidet sich vom Laufen in der Ebene: Man kommt mit dem Oberkörper in eine leichte Vorlage und läuft vermehrt auf den Ballen. Der Aufprall ist dabei zwar geringer als beim normalen Laufen, dafür ist aber ein größerer Kraftaufwand nötig, um den Körper von Stufe zu Stufe zu hieven. "Der Körper übersäuert schnell bei zu hohem Tempo", sagt Tsai.

Das Körpergewicht spiele beim Stiegenlaufen eine größere Rolle, erklärt der Linzer Sportmediziner Rainer Hochgatterer. Das Stiegenlaufen eigne sich gut als Intervalltraining, dabei werde auch die Sprungkraft trainiert: "Aber man muss sich langsam daran gewöhnen."

Dann kommt der Muskelkater

Zurück zur Markwardstiege: Langsam, aber doch war der letzte Abschnitt der Stiege erreicht, während die zügigste Läuferin unserer Gruppe längst an mir vorbei hinuntergelaufen war. Ich atmete kurz durch, schaute auf die Uhr – und lief wieder runter. Das war überraschend anstrengend, denn meine Beine fühlten sich plötzlich wie Gummi an. Dann ging es wieder rauf, runter, rauf. Bis die 30 Minuten irgendwann – und zwar überraschend schnell – vorbei waren und wir einfach ein paar Minuten dastanden und den Blick nach unten genossen.

Dann war das Training vorbei. Ein Blick auf die Uhr zeigte: Es war noch nicht einmal 7 Uhr morgens. Das fühlte sich großartig an. Sportwissenschafter Tsai empfiehlt nach einer solchen Anstrengung lockeres Laufen oder Spazierengehen, um die Durchblutung anzuregen. Er rät auch dazu, den Körper mit Mineralstoffen zu versorgen. "Und ausreichend Schlafen sowie eine ausgewogene Ernährung sind die beste Art der Regeneration." Sportmediziner Hochgatterer rät zu Eisbädern und Kompressionsstrümpfen. Ich ging ins Büro.

Verhindern lässt sich ein Muskelkater nicht ganz. "Aber den Muskelkater will man ja", sagt der Mediziner. Denn durch die ungewöhnliche Belastung würden kleine Traumata am Muskel entstehen – und die Leistung so, nach dem Prinzip der Superkompensation, beim nächsten Mal verbessert.

Darum empfand ich den Muskelkater, mit dem ich am nächsten Tag aufwachte, zumindest nicht als ganz so schlimm wie im Vorjahr. Im Büro habe ich dann aber ausnahmsweise aufs kreislaufaktivierende Stiegensteigen verzichtet – und den Lift genommen. (Franziska Zoidl, 17.6.2018)