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Robbie Williams, hier noch mit zwei Fingern in der Höhe.

Foto: Reuters/RECINE

Großveranstaltungen wie die Fußball-WM sind der perfekte Rahmen für eindrückliche Gesten. Unübertrefflich bleibt Zidanes finale Kopfnuss von 2006, aber auch Robbie Williams' Stinkefinger ist keine schlechte Vorlage, zumal für eine Eröffnung. Der britische Popstar war wohl nicht ohne Grund in rotes Leopardentuch gehüllt. Er änderte eine Textzeile seines Songs Rock DJ zu "I did this for free" und reckte dazu "the finger". Was nicht nur beim Sender Fox, der sich prompt beim Publikum entschuldigte, Missmut erregte.

Zwar kann ausgeschlossen werden, dass Williams dabei an Johnny Cash dachte, der die Geste bei seinem Auftritt im San Quentin State Prison 1969 besonders ausdrucksstark in die Popkultur einführte. Doch darüber hinaus herrscht Uneinigkeit. Wen wollte er wirklich adressieren? Die Textzeile legt nahe, dass die Geste primär an jene Fans gerichtet war, die seinen Auftritt als persönlichen Ausverkauf betrachten – Williams ist LGBT-Aktivist und Russland bekanntlich offiziell retrosexuell. Genau deshalb vermuten nun aber auch nicht wenige Russen, der Star habe ihren Rasen bewusst mit Unflätigkeit beschmutzt.

Williams ist es offenbar nicht um Eindeutigkeit gegangen, sonst hätte er ja auch seinen Song Party Like a Russian darbieten können – eine provokative Oligarchenhymne, in dem sich die Liedzeile "Ain't no refutin' or disputin' – I'm a modern Rasputin" findet. Man muss die Ambiguität der Geste allerdings nicht als Schwäche deuten. Der im Alltagsgebrauch sonst so unvornehm plastische Stinkefinger wird zur Rettung des Doppelsinns – in einer Welt, die an Vereindeutigung (Thomas Bauer) laboriert, keine so schlechte Sache. (Dominik Kamalzadeh, 15.6.2018)