Seit gerade einmal zehn Jahren ist Airbnb aktiv und vermittelt weltweit bereits mehr als drei Millionen Unterkünfte im Jahr. Auch in Österreich, besonders in Wien, boomen die Angebote der Onlineplattform. Hoteliers beklagen den verzerrten Wettbewerb. Gibt es wirklich ein Pro blem, oder will da jemand nur seine alten Privilegien verteidigen: Diese Frage stand im Zentrum des Gesprächs mit Manred Stallmajer, der ein Boutiquehotel in der Wiener Innenstadt, das Guesthouse Vienna, betreibt.

Manfred Stallmajer in der Brasserie seines Guesthouse. Das Hotel in der Wiener Innenstadt bietet 39 Zimmer und setzt auf lokalen Charme.
Foto: Urban

STANDARD: Ein Doppelzimmer für zwei Nächte in Ihrem Hotel Anfang Juni hätte mich 500 Euro gekostet. Ohne Frühstück. Das Zimmer ist 25 m2 groß. Auf Airbnb hätte ich im selben Zeitraum und in ähnlich zen traler Lage 300 Euro für eine Mehrzimmerwohnung bezahlt. Die Hotellerie hat ein Problem.

Stallmajer: Ja, es läuft in der Tat etwas schief. Ein klassisches Hotel ist ein Gewerbebetrieb: Wir haben Mitarbeiter, die für unsere Gäste Dienstleistungen anbieten und rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Diese Mitarbeiter müssen wir bezahlen. Zugleich müssen wir als Betrieb zahllose Auflagen der Gewerbeordnung erfüllen, angefangen bei Brandschutzbestimmungen bis dahin, wie die Belüftung der Zimmer funktionieren muss. Schließlich zahlen wir Steuern und führen die Ortstaxe ab. Bei Airbnb haben Sie dagegen in Wahrheit nichts von alledem.

STANDARD: Nichts?

Stallmajer: Es gibt den Service nicht, aber auch die strikten Auflagen interessieren Airbnb-Vermieter nicht. Ob ein klassischer Unterkunftgeber einer Onlineplattform Steuern oder die Orts taxe bezahlt, ist in den meisten Fällen mehr als fraglich. Die meisten machen es schwarz. Auf diese Art lässt es sich gut und gern um 200 Euro billiger verkaufen.

STANDARD: Wie genau spüren Sie Airbnb im Alltagsgeschäft?

Stallmajer: Früher hat man als Hotelbetreiber gesagt, dass man es zu spüren bekommt, wenn in ähnlicher Lage ein Hotel der gleichen Kategorie aufsperrt. Heute ist jedes Bett, das am Markt angeboten wird, ein Mitbewerber. Das liegt daran, dass sich das Reise- und Konsumverhalten der Gäste verändert hat. Heute kommt ein Gast und wohnt in einem Luxushotel. Am nächsten Tag nimmt er sich ein Zimmer in einem Motel One und ist dort genauso zufrieden. Für diesen Wandel gibt es viele Gründe: Online ist alles rasch und spontan buchbar. Die Menschen sind flexibler geworden. Wer spät am Abend kommt und früh wieder fährt, braucht kein Luxus hotel. Anbieter wie das schlichte Motel One sind neu auf den Markt gekommen und bieten ansprechende Zimmer für 80 bis 110 Euro die Nacht. Früher hat man für den Preis ein Zimmer auf dem Stand von vor 30 Jahren bekommen.

STANDARD: Und wie wirkt sich das aus?

Stallmajer: Durch die vielen neuen Anbieter ist der Druck von unten gewachsen, besonders in Zeiten schwächerer Auslastung. In Wien gibt es bereits über 11.000 Wohnungen, die über Airbnb und andere Plattformen vermietet werden. Tendenz stark steigend. Demgegenüber gibt es 40.000 Hotelzimmer. Die Konstellation führt zu einem Preiskampf, der zu einem Verdrängungswettbewerb führt. Ich betreibe ein kleines Hotel mit 39 Zimmern, mache also nicht mit, weil ich meinen gesamten Betrieb über die wenigen Zimmer finanzieren muss. Aber in schwach gebuchten Zeiten bekommen Sie in Wien ein Luxuszimmer für 130 bis 160 Euro. Die größeren Hotels in niedrigeren Kategorien, mit 200 oder 250 Zimmern, müssen darauf reagieren und ihre eigenen Preise senken, sonst stehen sie leer. So entsteht eine Spirale nach unten, die aber keinem etwas bringt. Es kommt ja kein zusätzlicher Gast nach Wien, sondern nur die Zimmer werden billiger. Airbnb ist ein wesentlicher Faktor hinter dieser Entwicklung.

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Widerstand gegen die Praktiken von Airbnb, in diesem Fall in Barcelona.
Foto: AP

STANDARD: Ist es nicht ironisch: Die Hotellerie beklagt gern, dass Österreich überbürokratisch ist. Und bei Airbnb fordert die Branche jede nur erdenkliche Regulierung gegen die Plattform.

Stallmajer: Wir rufen nicht nach vielen Regelungen, sondern nach jenen, die unserer Meinung nach sinnvoll sind. Über die Regelung, dass in den Zimmern verwendete Textilien und Materialien nicht brennbar sein dürfen, regt sich kein Hotelier auf.

STANDARD: Wenn nun jeder Airbnb-Vermieter die gleichen Brandschutzregeln wie ein Hotel einhalten muss, ist die Plattform tot.

Stallmajer: Dann ist es eben so. Wenn Sie in einem alten Wohnhaus aus dem 15. Jahrhundert irgendwo in der Wiener Innenstadt eine Airbnb-Wohnung nehmen, um Mitternacht ankommen und es beginnt zu brennen, sind die Chancen hoch, dass sie da nie her ausfinden. Man muss sich entscheiden, was man will: eine Schattenhotellerie, die sich über alles hinwegsetzen kann, oder einen fairen Wettbewerb. Was schiefläuft, ist, dass von behörd licher Seite in Österreich und Wien viel mehr Interesse daran bestehen müsste, dafür zu sorgen, dass sich die kommerziellen und halbkommerziellen Airbnb-Vermieter an die Regeln halten.

STANDARD: Was sollte sich ändern?

Stallmajer: Es gibt Länder, die das vormachen: Deutschland hat, wie ich den Medien entnommen habe, vor kurzem eine Anfrage an Irland gestellt. Der deutsche Fiskus will so erfahren, wer die Airbnb Vermieter in Deutschland sind (Airbnb in Europa betreibt seine Geschäfte via Irland, Anm.). Sie wollen überprüfen, ob diese Vermieter Einkommenssteuer bezahlen und ihre Wohnungen überhaupt vermieten dürfen. Warum tut Österreich das nicht? In Berlin wurde das Gewerberecht so verschärft, dass viele Airbnb- Anbieter ihre Wohnungen nicht mehr vermieten, weil sie nun effektiv kontrolliert werden. In Wien dagegen wird in einigen Zinshäusern jede frei werdende Wohnung online Touristen angeboten.

STANDARD: Bei Airbnb läuft in puncto Steuern sicher viel schief. Aber wie ist es bei Hotels: Die beschäftigen ja dafür Heerscharen an Steuerberatern, um ihre Abgaben zu optimieren. Das kann ein Airbnb-Vermieter nicht.

Stallmajer: Ich betreibe eine GmbH und muss alles hier in Österreich versteuern. Ich kann machen, was ich will, der Fiskus hat mich. Bei Konzernen und großen Ketten ist es natürlich so, dass es da andere Möglichkeiten gibt: Mit Lizenzgebühren, die an Headquarters abgeliefert werden, wird die Steuerlast gedrückt, da haben Sie recht. Dar um muss sich der Staat kümmern. Aber es geht eben nicht, dass wir nur großen Konzernen nachjagen, während das Geldscheffeln im Kleinen grenzenlos möglich ist. Der klassische Airbnb-Vermieter ist ja niemand, der beim Billa sitzt und 1400 Euro im Monat verdient. Der klassische Vermieter ist jemand, der ein Zinshaus hat oder drei bis vier Eigentumswohnungen erworben hat und online vermietet, weil er weiß, dass er damit mehr Geld machen kann, als wenn er sie klassisch anbietet.

Intensität von Airbnb-Angeboten in Wien.
Foto: wherebnb.in/wien

STANDARD: Manche Argumente der Hotelindustrie gegen Airbnb wirken völlig fadenscheinig. So beklagt die Branche, dass Airbnb Wohnungen verdrängt und dadurch Mieten in der Stadt teurer werden. Sogar wenn dem so ist: Das ist doch nicht das Problem der Hotellerie? Zudem verdrängen ja auch Hotels Wohnraum.

Stallmajer: Das stimmt nicht, uns kann das nicht egal sein. Wenn es in Wien und anderen Großstädten immer schwieriger wird, sich eine Wohnung zu leisten, dann ist das ein Problem für unsere Mitarbeiter und damit auch für uns. Und ja, auch Hotels verdrängen Wohnraum. Aber Airbnb bringt für die Stadt keinen Nutzen, Hotels schon.

STANDARD: Trotz Ihrer Beschwerden: Als Hotelbetreiber kann man schon gutes Geld machen.

Stallmajer: Die Hotellerie in Wien ist schwierig. Wien ist ein boomender Markt. Aber man muss aufpassen, dass man sich nicht nur von Nächtigungszahlen blenden lässt. Die durchschnittlichen Ausgaben für eine Nacht von Besuchern sind niedriger als in vielen anderen europäischen Städten, die Mietkosten und Entwicklungskosten aber ähnlich hoch. Erfolgreich ein Haus zu führen geht nur, wenn man eine Nische besetzt und klar definiert ist.

STANDARD: Wie ist die Nische, die Sie besetzt haben?

Stallmajer: Das Guesthouse ist ein sehr kleines, feines Boutiquehotel. Uns war wichtig, dass wir nicht austauschbar sind. Wir sind durch wienerischen Charme definiert. Wenn man in dieses Haus hereinkommt, spürt man, dass man in Wien ist. Das beginnt damit, dass unser Hotelrestaurant viele Wiener besuchen. Das ist für die internationalen Gäste sehr positiv. Wir haben bei Design und Ausstattung mit vielen Wiener Elementen gespielt, den Stil eines typischen Wiener Kaffeehauses in der Hotel-Brasserie inkludiert. Wir haben auf Carl-Auböck-Design für die Messingarbeiten gesetzt. Wir verwenden Thonet-Stühle von Oswald Haerdtl aus den 1920er-Jahren. Die Brasserie schaut mit diesen Elementen so aus, als stünde sie schon 20 oder 30 Jahren hier. Beim Zimmerdesign haben wir viel mit lokalem Handwerk gearbeitet. So gibt es zum Beispiel nicht irgendwelche 08/15-Hotelseifen bei uns, sondern Seifen von einem kleinen Parfümeur aus dem zweiten Bezirk, der einen eigenen Duft für uns entwickelt hat. Das geht bis dahin, dass wir für die Kaffeetassen alte Lilienporzellan-Formen wieder aufgelegt haben.

Manfred Stallmajer
Foto: Urban

STANDARD: Wie sehen Sie die Angebote von Booking.com? Viele Hotelbetreiber beklagen, dass die Seite so viel Geld für ein vermitteltes Zimmer verlangt. Aus Sicht des Kunden ist die Seite großartig: Alle Angebote sind auf einen Blick vergleichbar.

Stallmajer: Ich würde mich nicht über Booking.com beschweren. Die Seite vermarktet auch kleiner Häuser international und verschafft ihnen eine Bühne, die sie sonst nie erreichen könnten. Die Kritik beruht meiner Ansicht nach auf einer Täuschung: Früher haben Hoteliers ihre Zimmer oft an diverse Anbieter, etwa Reisebüros, verkauft. Dabei haben sie einen Preisnachlass gewährt. Die Reisebüros haben ihrerseits etwas draufgeschlagen, um zu verdienen, das Zimmer war im Endeffekt so teuer wie ursprünglich. Der Hotelbetrieb hat aber in seiner Bilanz keinen Aufwand für Kommissionen stehen gehabt. Heute ist es so, dass ein Hotel ein Zimmer online mit dem normalen Preis anbietet, von Booking.com aber dafür jeden Monat eine Rechnung bekommt. Jetzt ist dem Hotelier viel mehr bewusst, dass ihn die Vermarktung des Zimmers etwas kostet.

STANDARD: International ist es üblich, dass Zimmer verkauft werden: In Österreich werden sehr oft Preise pro Person verlangt. Warum dieser Unterschied?

Stallmajer: Das liegt an dem Stadt-Land-Gefälle. In der Stadt werden Sie zu 95 Prozent Zimmerpreise finden, so auch bei uns. In der Ferienhotellerie auf dem Land ist es in Österreich in der Tat üblich, dass Sie pro Person zahlen. Woher das kommt, weiß ich gar nicht. Vielleicht weil man glaubt, dass die Preise pro Person niedriger wirken? Die Kosten fallen pro Zimmer an, etwa bei der Reinigung. Ob da jetzt ein oder zwei Personen drinnen sind, ist fast gleichgültig. Der Preissprung ist minimal.

STANDARD: Sie haben gesagt, das Reiseverhalten hat sich verändert. Haben sich die Gäste geändert?

Stallmajer: Ja. Der Gast ist mächtiger geworden. Heute gibt es die Möglichkeit, alles sofort online zu bewerten. Der Gast kann alles kommunizieren, und das macht immensen Druck. Da gibt es Gäste, die sagen: Wenn ich das jetzt nicht bekomme, auch wenn es ungerechtfertigt ist, schreibe ich eine schlechte Bewertung auf Facebook oder Tripadvisor. Es gibt immer einen Prozentsatz an Menschen, die etwas ausnützen.

STANDARD: Wie gehen Sie damit um?

Stallmajer: Meine Strategie ist, authentisch zu bleiben. Wenn der Gast etwas fordert, was nicht in Ordnung ist, oder droht, dann soll er das online kommunizieren, und wir antworten online darauf. Man darf sich nicht erpressen lassen. Generell fällt schon auf, dass die Menschen egoistischer geworden sind, oft nur auf sich bedacht sind und schwer entspannen können. Eine Wartezeit von einer oder zwei Minuten für den Kaffee wird oft schon als überbordend empfunden. (András Szigetvari, 17.6.2018)