Der britische Menschenrechtsaktivist Peter Tatchell konnte in Moskau nicht lange gegen die Behandlung Homosexueller in Tschetschenien protestieren. Am 26. Juni wird ihm der Prozess gemacht.

Immerhin, auf die gefürchteten Peitschenhiebe wollen sie während der Weltmeisterschaft verzichten. Vollkommen tatenlos zuschauen können die Kosaken in Rostow am Don allerdings auch nicht, wenn zwei Männer in aller Öffentlichkeit Zärtlichkeiten austauschen. "Natürlich geben wir der Polizei dann Bescheid", sagt Oleg Barannikow. "Den Rest regelt dann sie."

Barannikow ist der Sprecher einer paramilitärischen Einheit, die nahe der ukrainischen Grenze seinem Verständnis nach für Zucht und Ordnung sorgen wird, "sollten die Wertvorstellungen der Kosaken mit Füßen getreten werden. Traditionelle Familienwerte und der orthodoxe Glaube stehen an erster Stelle", sagte Barannikow Radio Free Europe.

Dass die russisch-orthodoxe Kirche Homosexualität keinesfalls gutheißt, überrascht nicht. Die große WM-Bühne soll dazu genutzt werden, den Fans aus aller Herren Länder diese Ansicht näherzubringen. Anders können die Äußerungen nicht interpretiert werden, die Patriarch Kyrill tätigte. "Die WM bietet eine ideale Chance, um den Menschen unsere Spiritualität zu erklären", ließ Kyrill über seinen Sprecher in der englischen Zeitung The Independent wissen: "Wir wollen die Sportgemeinschaft christlicher machen."

Übergriff in St. Petersburg

Nicht von Nächstenliebe berichtet das für gewöhnlich gut informierte Onlineportal PinkNews. In St. Petersburg soll es einen gewaltsamen Übergriff auf einen französischen WM-Fan und seinen Begleiter gegeben haben. Die Pressestelle der Stadt ließ diesbezügliche Anfragen unbeantwortet, das Opfer soll bei dem Angriff jedenfalls schwere Kopfverletzungen erlitten haben.

Zudem wurde am Donnerstag in Moskau der britische Menschenrechtsaktivist Peter Tatchell vorübergehend in Gewahrsam genommen, weil er vor dem Kreml gegen die Hetzjagd auf Homosexuelle in Tschetschenien protestierte. "In einem abnormalen Regime wie dem von Wladimir Putin kann es keine normale Sportveranstaltung geben", sagte Tatchell, ehe er von drei Polizisten in einen Streifenwagen gebracht wurde. Er wurde später wieder auf freien Fuß gesetzt, muss sich am 26. Juni vor Gericht verantworten.

Homosexualität ist in Russland offiziell zwar nicht verboten, seit 2013 wird von Gesetz wegen die sogenannte homosexuelle Propaganda gegenüber Kindern und Jugendlichen aber mit drastischen Strafen belegt.

Olympische Diskussionen

Im Gegensatz zur WM war das Thema im Vorfeld und auch während der Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi intensiv im Gespräch. Aus Protest gegen Diskriminierung und die Beschneidung der Meinungsfreiheit in Russland riefen einzelne Sportler, Künstler und Politiker zum Boykott der Spiele auf. 27 Nobelpreisträger prangerten in einem Brief an Putin die Diskriminierung von Homosexuellen an.

Das Österreichische Olympische Comité konnte sich nicht entschließen, die Skispringerin Daniela Iraschko-Stolz gleichsam als Zeichen als Fahnenträgerin bei der Eröffnung zu nominieren. "Wir lassen uns da nicht instrumentalisieren", hatte ÖOC-Präsident Karl Stoss gesagt.

Im Vorfeld der Fußball-WM haben Lesben- und Schwulenverbände die Organisatoren in die Pflicht genommen. So müsse der Fußballweltverband (Fifa) klarstellen, "dass die von ihm verabschiedeten Richtlinien für Menschenrechte nicht nur Augenwischerei und heiße Luft sind".

Gruppierungen wie die Kosaken kann die Fifa allerdings nicht einfach so auflösen – auch wenn sie es wollte. Schilder, wie sie an einer Bäckerei in Rostow hängen und die der eigentliche Skandal sind, wird es auch weiter geben. "Faggots not allowed", stand dort geschrieben: "Schwuchteln sind nicht willkommen." (sid, red, 15.6.2018)