Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel steckt in ihrer bisher größten Krise.

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Angela Merkel, die Vierte. Mit diesem Namenszusatz versehen, so ging man bisher davon aus, werde die deutsche Kanzlerin eines Tages ihren Platz in den Geschichtsbüchern finden. Denn ihre vierte Amtszeit würde auch ihre letzte sein.

Doch niemand ahnte, dass es eventuell sehr viel schneller gehen könnte. Vom Tisch ist das abrupte Ende der Koalition und damit auch jenes von Merkel noch nicht. Aber Merkel gibt natürlich nicht auf.

Es geht jetzt darum, ihre Restlaufzeit zu gestalten – und das will sie sich von niemandem aus der Hand nehmen lassen, schon gar nicht von Innenminister und CSU-Chef Horst Seehofer.

Über die Kanzlerin, die die Deutschen seit 2005 regiert, ist alles gesagt: 63 Jahre alt, Physikerin, ostdeutsch, geschieden, wieder verheiratet, kinderlos, Opernliebhaberin, Fußballfan, Südtirolurlauberin, zudem unprätentiös, aber mit enormem Machtwillen ausgestattet. Sonst hätte sie es nie so weit geschafft und sich dort nie so lange halten können.

Drei Phasen Merkel

Ihre erste Amtszeit (2005 bis 2009, große Koalition) war geprägt vom Kennenlernen, in der zweiten (2009 bis 2013, Schwarz-Gelb) lernten die Deutschen sie schätzen und mögen, in der dritten (2013 bis 2017) verlor sie durch ihre liberale Asylpolitik an Ansehen, wurde dann aber doch wieder als Fels in der von Trump, Erdoğan und Putin verursachten Brandung gesehen.

Doch die vierte Amtszeit entglitt ihr schon vor dem Antritt. Das Jamaika-Bündnis scheiterte, und während Merkel dann mühsam wieder eine Groko zimmern musste, positionierte sich um sie herum eine neue Generation.

In Frankreich preschte der junge Emmanuel Macron mit weitreichenden Plänen für die EU vor, in Österreich zeigt der noch jüngere Sebastian Kurz keine Berührungsängste mit der FPÖ – einer Partei, die Merkel verabscheut.

Als Merkel im März 2018 endlich ihre Regierung zusammen hatte, wirkte sie oft unendlich müde und zwischen den männlichen Staats- und Regierungschefs mit den großen Egos wie ein Relikt aus einer anderen Zeit.

Ob sie schon bereut habe, ein viertes Mal anzutreten, hat ARD-Talkerin Anne Will sie am Sonntag gefragt. Ihre Antwort war nicht "Nein, natürlich nicht", sondern: "Für den Gedanken habe ich wenig Zeit." Denn Merkel will irgendwann freiwillig gehen und das Haus – an wen auch immer – bestellt übergeben. Mit und wegen Seehofer unterzugehen steht nicht auf ihrem Zettel. (Birgit Baumann, 15.6.2018)