Die ersten der rund 630 Flüchtlinge, die tagelang auf der "Aquarius" im Meer herumgeirrt sind, legten in Spanien an.

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Valencia – Die Irrfahrt hat ein Ende. Die Aquarius und die beiden italienischen Begleitschiffe sind am Sonntag zeitversetzt im spanischen Mittelmeerhafen Valencia eingetroffen. Die 629 Flüchtlinge, darunter 123 unbegleitete Minderjährige, elf Babys und sechs schwangere Frauen wurden von den Helfern der Operation "Hoffnung Mittelmeer" empfangen. Diese wurde von den örtlichen, regionalen und staatlichen Behörden zusammen mit dem Roten Kreuz, mehreren NGOs sowie der katholischen Kirche durchgeführt. Spanien hatte die Aufnahme der aus Seenot Geretteten angeboten, nachdem sich Malta und Italien geweigert hatten, die Aquarius einen ihrer Häfen anlaufen zu lassen. Die Flüchtlinge tanzten und sangen vor Freude, als der Hafen von Valencia in Sicht kam.

Viele freiwillige Helfer

Das erste Schiff, die Datillo der italienischen Küstenwache, traf um 6.30 Uhr ein. Die Aquarius der Hilfsorganisation SOS Méditerranée folgte etwas mehr als vier Stunden später, und das letzte Schiff, die Orione der italienischen Marine, fuhr kurz nach 13 Uhr in den Hafen ein. Die Behörden hatten den Zeitplan so gewählt, um die Erstversorgung in Valencia zu erleichtern. 2000 Personen waren im Einsatz, darunter 1000 Freiwillige des Roten Kreuzes, 400 Übersetzer, 500 Polizeibeamte und 150 Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums der autonomen Region Valencia.

Die 123 Minderjährigen, die ohne Eltern reisen, werden in Heimen untergebracht. Die Erwachsenen bekommen ein Bleiberecht von vier Wochen sowie eine Krankenversicherungskarte zugestanden. Sie können einen Asylantrag stellen. Wer dies nicht tut oder abgelehnt wird, muss mit einem Abschiebeverfahren rechnen. "Die Immigranten der Aquarius werden im Rahmen unseres Gesetzes behandelt, ohne Ausnahme", erklärte José Luis Ábalos, Minister für Infrastruktur und engster Vertrauter von Premier Pedro Sánchez im sozialistischen PSOE.

Die Regierung Sánchez sieht die Aufnahme der Aquarius als ersten Schritt hin zu einer neuen Flüchtlingspolitik. Unter Vorgänger Mariano Rajoy hatte Spanien nur einen kleinen Teil der mit Brüssel vereinbarten Aufnahmequote erfüllt. "Es ist das Problem aller, nicht ein Jahr das von Griechenland und im nächsten Jahr das von Italien", erklärte Außenminister Josep Borrell. Er appellierte an die "Solidarität" in der EU und findet im französischen Präsidenten Emmanuel Macron einen ersten Verbündeten. Dieser erklärte sich am Samstag bereit, diejenigen der Aquarius in Frankreich aufzunehmen, die das wünschen sollten.

Hochgerüstete Grenze

Borrell weiß, dass Spanien – je mehr sich Italien abschottet – als Transitland interessant werden könnte. Bisher liegt das Land auf der Iberischen Halbinsel außerhalb der großen Flüchtlingsbewegungen. Wohl nicht zuletzt deshalb, weil die Grenze Spaniens zu Afrika hochgerüstet ist wie sonst keine andere europäische Außengrenze. Ein dreifacher Zaun umgibt die beiden spanischen Exklaven in Nordafrika, Ceuta und Melilla. Der Draht, der immer wieder zu schweren Verletzungen bei Flüchtlingen führte, soll jetzt entfernt werden. Zudem wird die Meerenge zwischen Spanien und Marokko mit Kameras, Radar und Hubschraubern überwacht. Dennoch kommen in Spanien jeden Tag Flüchtlinge an. Am Wochenende wurden von der spanischen Küstenwache knapp 1000 zwischen Marokko und Südspanien gerettet.

Allzu weit wird sich die Regierung Sánchez beim bevorstehende europäischen Gipfeltreffen, das sich mit dem Thema Flüchtlinge beschäftigen wird, nicht aus dem Fenster lehnen. Denn Opposition und ein Teil der Presse nutzen die Aufnahme der 629 Flüchtlinge bereits, um Stimmung zu machen. "Spanien sieht sich einer Flüchtlingslawine ausgesetzt dank der Signalwirkung" – der Operation Aquarius -, hieß es am Sonntag auf dem Titelblatt der konservativen Tageszeitung ABC unter dem Foto eines feiernden Flüchtlings. (Reiner Wandler, 17.6.2018)