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Präsident Erdogan hält flammende Wahlkampfreden, in denen er ausländische Manipulation für die Abwertung der Lira verantwortlich macht. Investoren beäugen hingegen die Schuldenpolitik Ankaras kritisch.

Foto: AP / Lefteris Pitarakis

Die türkische Wirtschaft boomt. Das ist eigentlich das Paradoxe an dem Zustand des Landes, das zuletzt vom Kapitalabfluss gebeutelt wurde. Doch ein genauerer Blick auf die Verfassung der türkischen Wirtschaft legt das Problem schnell offen. Die Türkei ist, auch angestachelt von politischen Maßnahmen, in einen Kaufrausch verfallen. Staat und Banken verteilen Geld und sichern so ein hohes Wirtschaftswachstum, das im Vorjahr mit gut sieben Prozent sogar jenes von China übertraf.

Das Problem: Die Inflation zieht an, die Verschuldung steigt, und die Importe nehmen rasch zu. Da die Einfuhren die Ausfuhren übersteigen – im Vorjahr um 77 Milliarden Dollar –, muss das Land die Lücke mit Kapitalimporten schließen. Das ging lange gut. Internationale Investoren überschütteten die Türkei und andere Schwellenländer in den letzten Jahren geradezu mit Geld, weil die Veranlagung dort viel mehr abwerfen als in den USA oder Europa.

Doch diese Phase ist nun vorüber, insbesondere in den USA, wo man für zehnjährige Staatsanleihen wieder rund drei Prozent Verzinsung erhält. Das führt schon seit einigen Monaten zu einem Rückzug der Investoren aus einigen Schwellenländern. Besonders dramatisch fiel dieser Prozess in Argentinien aus – das Land musste sogar ein Hilfsprogramm beim Internationalen Währungsfonds beantragen. Ähnlich gebeutelt wird die Türkei.

Kleinkrieg mit Nationalbank

Ohne die lebensnotwendigen Kapitalzuflüsse aus dem Ausland droht eine Zahlungsbilanzkrise, zumal das Verhalten von Präsident Tayyip Erdogan die Investoren alles andere als beruhigt. In Zeiten hoher Inflation – zuletzt elf Prozent – und eines Kapitalexodus müsste die Notenbank die Zinsen deutlich anheben. Das würde Veranlagungen attraktiver machen und den Kreditboom abkühlen. Doch Erdogan hat sich auf einen Kleinkrieg mit der Nationalbank eingelassen, die die Zinsen erhöhen will. Er sieht in Zinsen das Böse schlechthin und droht, die formal unabhängigen Währungshüter nach der Wahl an die Kandare zu nehmen. Gleichzeitig attackiert er die Ratingagenturen, die das Land auf Ramsch herabgestuft haben, wodurch sich die Schuldentilgung des Staates verteuert.

Die ganze Entwicklung spiegelt sich im Lirakurs wider. Die Währung ist heuer um 18 Prozent eingebrochen, was die Lage nicht einfacher macht. Importe in internationaler Währung verteuern sich und heizen die Inflation weiter an. Eine Anhebung der Leitzinsen auf 18 Prozent, die die Notenbank Ende Mai gegen den Willen Erdogans durchgeführt hatte, konnte die Lage nur kurzfristig stabilisieren. Zuletzt ging die Lira wieder auf Talfahrt. (as, 18.6.2018)