Schon vor fünf Jahren protestierten Umweltorganisationen anlässlich der damaligen UVP-Verhandlung in Wien gegen den geplanten Lobautunnel, den sie als Geldverschwendung kritisierten. Auch nach dem jüngsten Urteil geben sie den Kampf gegen das Projekt nicht auf.

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Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) kommt nicht aus den Schlagzeilen: Zuerst herrschte überdurchschnittliche Empörung über den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG), den Bau der dritten Piste des Flughafens Schwechat nicht zu genehmigen.

Anschließend wurde ebenso heftig über das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) diskutiert, das ebendiese BVwG-Entscheidung als "denkunmögliche Anwendung" der relevanten Rechtsvorschriften qualifiziert und sie in Folge aufhebt. Vor einigen Wochen entschied das BVwG, dass ein weiteres umstrittenes Projekt, der Lobautunnel, gebaut werden dürfe.

Die Gegner des Projekts haben bereits angekündigt, außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH) gegen diese Entscheidung zu erheben, wodurch eine endgültige Klärung der Genehmigungsfähigkeit weiter verzögert wird.

Lange Verfahrungsdauer

Vor allem die sehr lange Verfahrensdauer von UVPs wird von den Projektwerbern immer wieder kritisiert. Die Verfahren zur dritten Piste und Lobautunnel ziehen sich bereits über circa zehn Jahre.

Wirtschaftlich betrachtet, kostet diese Zeit der Nichtentscheidung viel Geld. Ist dann endlich eine – im Sinne der Projektwerber – positive Entscheidung da, können sich in dieser Zeit verschiedene Rahmenbedingungen so weit geändert haben, dass die veranschlagten Kosten nicht mehr der Realität entsprechen.

Dem Gesetzgeber ist das Dilemma der für alle Beteiligten unbefriedigenden Endlosverfahren durchaus bewusst. Aber kann die von der ÖVP-FPÖ-Regierung vorgeschlagene Aufnahme des Staatsziels "wettbewerbsfähiger Wirtschaftsstandort" in die Verfassung UVP-Verfahren in Zukunft tatsächlich abkürzen?

Staatsziel Nachhaltigkeit

Hilfreich ist ein Blick in die parlamentarischen Materialien zur Staatszielbestimmung "Nachhaltigkeit". Darin findet sich die Zielsetzung, "den heute lebenden, aber auch allen künftigen Generationen eine intakte Umwelt in all ihrer Vielfalt zu erhalten". Diese Definition inkludiert selbstverständlich auch den Aspekt der ökonomischen Entwicklung, sodass das Staatsziel "wettbewerbsfähiger Wirtschaftsstandort" in Wahrheit bereits im Staatsziel "Nachhaltigkeit" enthalten ist, was bereits heute durch den VfGH auch so ausgelegt wird.

So hat der Gerichtshof unter anderem im Erkenntnis zur dritten Piste festgehalten, dass das Staatsziel Umweltschutz nicht immer und automatisch als Maßstab für öffentliche Interessen in Bewilligungsverfahren heranzuziehen ist, sondern nur dann, wenn die als maßgeblich festgestellten Interessen einen Bezug zum Umweltschutz aufweisen.

Anderenfalls hätte offensichtlich keine Genehmigungsfähigkeit der dritten Piste bestanden. Weiters gab es bereits einige Erkenntnisse des VfGH, in denen er klar judizierte, dass kein absoluter Vorrang von Umweltschutzinteressen bestehen würde, sondern auch Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit als maßgeblich anzusehen seien.

Auch der VwGH praktiziert dieses Abwägen öffentlicher Interessen – auch zwischen verschiedenen Umweltmaterien – und stellte klar, dass Klimaschutz nicht immer und überall Vorrang genieße, sondern manchmal auch naturschutzrechtliche Vorgaben als höherrangig einzustufen sein können.

Beschleunigung

Leider wurde auch in vielen Diskussionen das Problem auf Beschleunigung beziehungsweise Reform von UVP-Verfahren reduziert. Dies kann selbstverständlich einen ersten Schritt zu einer Lösung darstellen, verkürzt aber zugrundeliegende Motivationen.

Klargestellt sollte erstens werden, dass durchaus auch andere Verfahren als UVPs verschiedene öffentliche Interessen aufeinanderprallen lassen. Beispielhaft sei hierfür der Schutz des Weltkulturerbes in Wien am Beispiel Umgestaltung Heumarkt genannt oder auch die Auseinandersetzungen um die Verbauung der Steinhofgründe.

Im erstgenannten Beispiel wurden Anträge der Wiener ÖVP, den Schutz des Weltkulturerbes in der Stadtverfassung zu verankern, vom Landtag abgelehnt, im zweitgenannten wurde ein bereits baurechtlich genehmigtes Projekt wegen Bürgerprotesten in einer reduzierten Version umgesetzt.

Allerorts Verzögerungen

Interessant ist zweitens, auch einen Blick auf größere Infrastrukturprojekte in anderen europäischen Ländern zu werfen: So zieht sich das Projekt zum Ausbau des Hauptbahnhofs in Stuttgart nun ebenfalls über 25 Jahre. In Frankreich wurde der umstrittene Bau des Flughafens in Notre-Dame-des-Landes im Jänner dieses Jahres sogar nach über fünf Jahrzehnten Widerstand durch lokale Bevölkerung und Umweltorganisationen von der französischen Regierung abgesagt, obwohl er zuvor durch ein Dekret als Beitrag zum öffentlichen Wohl definiert worden war.

Zum aktuellen Fall des Lobautunnels haben die Wiener Grünen kürzlich beschlossen, unter dem Motto "Nobau" weiter gegen den Tunnel vorzugehen. Eine "breite Allianz" aus NGOs und Zivilgesellschaft solle helfen, den Bau im Sinne eines "Hainburg 2.0" zu verhindern.

Diese Beispiele zeigen deutlich, dass Staatszielbestimmungen nichts an der Einstellung von betroffenen Anrainern und Umweltschutzorganisationen ändern und damit wenig geeignete Mittel sind, um Nutzungskonflikte zu lösen.

Bedacht werden sollte unabhängig von juristischen Verfahren jedenfalls, dass alle Experten, wie zum Beispiel zuletzt in der Klima-Enquete, einhellig empfehlen, ehebaldigst Maßnahmen gegen die Erderwärmung zu setzen beziehungsweise zu intensivieren.

Unter diesem Aspekt muss wohl das Thema Nachhaltigkeit in seiner gesamten Breite stärker in UVP-Verfahren berücksichtigt werden. Dies könnte auch durchwegs zu dem Ergebnis führen, dass Projekte als wirtschaftlich (dritte Piste) oder planerisch (Lobautunnel) relevant, aber im Sinne der Nachhaltigkeit trotzdem als nicht realisierbar angesehen werden müssen. (Karin Hiltgartner, 19.6.2018)