"Die Geburt von Kindern trägt nach wie vor zu großer sozialer Ungleichheit bei", sagt Eva-Maria Schmidt.

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Viele junge Frauen und Männer wünschen sich eine gleichberechtigte Partnerschaft. Dann kommt das erste Kind auf die Welt – und mit einem Mal tauchen wieder alte Rollenmuster auf. Die Sorge, Kind und Karriere unter einen Hut zu bringen, plagt traditionell eher selten Väter. Männer machen sich auch tendenziell weniger Gedanken darüber, mit wie vielen Stunden sie nach der Karenzzeit wieder in den Job zurückkehren möchten. Die Vereinbarkeitsfrage stellt sich auch 2018 noch vorwiegend nur Frauen.

"Die Geburt von Kindern trägt nach wie vor zu großer sozialer Ungleichheit bei", sagt Eva-Maria Schmidt. Sie arbeitet als Soziologin am Österreichischen Institut für Familienforschung an der Universität Wien und beschäftigt sich aktuell mit dem Übergang zur Elternschaft, Vaterschaft, Arbeitsaufteilung, Kinderbetreuung und Karenz.

Männlicher Familienernährer

Woran Gleichberechtigung in der Elternschaft oft scheitert? Die Gründe sind vielfältig. Die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern, die in Österreich deutlicher auseinanderklafft als im EU-Durchschnitt, unzureichende Kinderbetreuungsplätze sowie bestehende Karenzmodelle sind Erklärungen dafür, warum Frauen das Gros der Hausarbeit und Kindererziehung tragen: "Während der überwiegende Teil der Väter Vollzeit arbeitet, bleiben Mütter nach der Geburt ihres Kindes für mehrere Monate oder Jahre zu Hause und kehren größtenteils in Teilzeitanstellungen zurück", sagt Schmidt.

Mütter und Väter mit Kindern unter 15 Jahren nach Erwerbstätigkeit und Alter des jüngsten Kindes
Foto: ÖIF/Schmidt

Und: Viele Frauen stocken auch nicht – wie häufig geplant – nach ein paar Jahren das Stundenausmaß auf, sondern bleiben teilzeitbeschäftigt. Nur bei neun Prozent der Paare mit Kindern zwischen drei und sechs Jahren sind beide vollzeitbeschäftigt. Das ändert sich auch später nicht gravierend: In Familien mit Kindern zwischen sechs und 15 Jahren arbeiten zwanzig Prozent der Eltern beide Vollzeit, so die Soziologin. Teilzeiterwerbstätigkeit beider Eltern mit einem jüngsten Kind unter 15 Jahren ist nach wie vor sehr selten (etwa sechs Prozent).

Paare mit Kindern unter 15 Jahren nach Erwerbstätigkeit und Alter des jüngsten Kindes.
Foto: ÖIF/Schmidt

Warum es problematisch ist, wenn das Modell vom Familienernährer nach wie vor gängige Praxis ist? Weil jahrelange Teilzeitanstellung massive Auswirkungen auf das Lebenseinkommen habe. Schmidt: "Altersarmut von Frauen hängt vor allem mit deren Teilzeitarbeit zusammen." Dabei gehe es weniger um 32-Stunden-Anstellungen, der Familienforscherin zufolge steigt die soziale und ökonomische Abhängigkeit von Frauen dann massiv, wenn sie über Jahre in 15- bis 20-Stunden-Anstellungen bleiben. Das wirke sich nicht nur auf Pensionszeiten, sondern auch auf Gehaltssprünge und Karriereaussichten aus.

Ideologisierte Vorstellungen

Dass Frauen vergleichsweise lange ihre Erwerbsarbeit unterbrechen, hänge auch mit dem Karenzsystem zusammen, wonach man ein Recht darauf hat, zwei Jahre zu Hause bei den Kindern zu sein – und das auch finanziert werde. "Im internationalen Vergleich ist das österreichische System sehr gut dotiert", sagt Schmidt. In Belgien hingegen müsse sich eine Mutter eher rechtfertigen, wenn sie länger als vier Monate nicht ihrer Arbeit nachgeht. Krippen gibt es dort ab vier Monaten, auch in Betrieben, wo Kindergärtnerinnen und Kindergärtner die Kinder zum Stillen an den Arbeitsplatz bringen.

Davon ist man in Österreich noch weit entfernt. Zum einen gibt es zu wenige Kinderbetreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren, vor allem auf dem Land und in kleineren Städten, zum anderen wollen manche Eltern ihre Kinder in diesem Alter nicht fremdbetreut wissen. Vor allem auf dem Land sei die Auffassung sehr verbreitet, dass ein Kleinkind am besten zu Hause aufgehoben sei. Kinderbetreuungseinrichtungen würden außerdem zu wenig Qualität bieten, so Schmidt.

Es sind also nicht nur strukturelle Herausforderungen, die einer gleichberechtigten Elternschaft im Weg stehen. "Kulturell verankerte, ideologisierte Vorstellungen von Elternschaft, internalisierte Bilder von Mutterschaft und Vaterschaft werden beim Übergang zur Elternschaft unbewusst wirksam", sagt Schmidt. "Das äußert sich auch darin, dass Mütter sehr dankbar sind, wenn sie ihr Partner in der Kinderbetreuung unterstützt und sie arbeiten gehen können." Umgekehrt sei das weniger der Fall. Väter hätten auch seltener ein schlechtes Gewissen, wenn das Kind fremdbetreut und länger im Kindergarten bleibe.

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Fest steht: Die Karenzphase von Vätern ist viel kürzer als jene von Müttern. Geht ein Mann mehr als zwei Monate in Karenz, gilt das schon als lange. Gerade einmal fünf Prozent aller ausbezahlten Kinderbetreuungsgeldtage werden von Männern in Anspruch genommen. Männer gehen auch selten allein in Karenz, häufig sind sie mit der Partnerin gemeinsam zu Hause.

"Väter haben wenig Gelegenheit, sich eigenständig mit dem Kind zu beschäftigen und zu lernen, wie sie auf Kinder reagieren müssen", sagt Schmidt. Zwar würden Partnerschaftsbonus und Familienzeitbonus ihrer Einschätzung nach in eine gute Richtung weisen, aber auch hier würde dem Vater keine Zeit gelassen, sich allein um das Kind zu kümmern. Dabei sei gerade diese Zeit, die Väter allein mit den Kindern verbringen, wichtig, damit sich traditionelle Aufgabenaufteilung und Zuschreibungen verändern, ist die Familiensoziologin überzeugt. Aber auch Rolemodels im persönlichen Umfeld würden Mut machen, sich die Haus- und Sorgearbeit gleichberechtigter aufzuteilen.

Was eine gleichberechtigte Elternschaft politisch gesehen bedeutet? Gegenwärtig werden in der Scientific Community Modelle aus Deutschland diskutiert, die Eltern ein Recht auf 30-Stunden-Anstellungen beider Partner einräumen, bei gleichzeitiger Steuerentlastung, erzählt Eva-Maria Schmidt. Generell müsse die Vierzigstundenwoche hinterfragt werden, vor allem für Eltern würde das einiges bewirken, sagt sie. Um politisch die Weichen in Richtung Gleichstellung zu stellen, wäre auch ein Kinderbetreuungssystem denkbar, das einen größeren Anteil für Väter vorsieht – und der bei Nichtinanspruchnahme verfällt. "Radikal gesprochen wären das sieben Monate für den Vater, sieben Monate für die Mutter – und nicht nur zwei Monate, wie es derzeit ist", so die Soziologin.

Schmidt: "Wenn Gleichberechtigung Ziel einer Politik ist, dann kann man nicht neutral sagen: 'Macht es, wie ihr wollt.'" Stattdessen müsse man gezielt die Geschlechterebene ansprechen und dafür Sorge tragen, dass diese ausgeglichen ist. In der aktuellen österreichischen Politik sehe sie dafür aber den politischen Willen nicht. (Christine Tragler, 19.6.2018)