Mit neuen Streaming-Angeboten will Google nicht nur Spotify und Apple Music sondern auch vermehrt Netflix Konkurrenz machen. Mitte Mai erstmals der Öffentlichkeit präsentiert, dehnt der Softwarehersteller die Verfügbarkeit von Youtube Music und Youtube Premium nun erheblich aus. Ab sofort sind beide Services in elf weiteren Ländern verfügbar – und damit unter anderem auch in Österreich und Deutschland erhältlich.

Youtube Music

Das Kernstück bildet Youtube Music, also der neue Musikstreamingservice von Google. Dieser bietet das gewohnt umfassende Angebot an Musik, wie man es auch von Spotify und Co. gewohnt ist. Von der Konkurrenz will man sich vor allem über zusätzliche Inhalte absetzen: Lassen sich hier doch auch all die Konzerte und Remixes anhören, die es auf Youtube zuhauf gibt, und mit der andere Anbieter nicht aufwarten können.

Zudem bietet man eine wesentlich engere Verschränkung von Audio und Video als es beim Mitbewerb der Fall ist. Doch noch einmal zurück zu den Konzerten: Youtube Music konzentriert sich hierfür auf hochwertige Aufnahmen, also etwa von den Bands selbst oder TV-Sendern hochgeladenes Material – und nicht auf aus dem Publikum gefilmte Clips. Für die Zukunft stellt das Unternehmen übrigens auch in Aussicht, dass über Youtube Music auch Live-Konzerte angeboten werden.

Kostenlos oder auch nicht

Youtube Music gibt es in zwei Ausführungen: Die Basis bildet eine kostenlose Variante, die allerdings regelmäßig von Werbung unterbrochen wird – ähnlich wie es auch bei dem entsprechenden Angebot von Spotify der Fall ist. Als Alternative bietet Google ein Abo, das um 9,99 Euro monatlich zu einem vergleichbaren Preis wie andere entsprechende Angebote zu haben ist. Diese Dualität sei dem Unternehmen besonders wichtig gewesen, betont Lyor Cohen, Youtubes Global Head of Music, im Rahmen eines Pressegesprächs. Die Realität sei, dass sich viele Nutzer auf der Welt einfach kein monatliches Abo leisten können, insofern sei es wichtig, diese nicht komplett vom Zugriff auf cas Musikangebot abzuschneiden.

Die drei zentralen Ansichten von Youtube Music: Home, Hotlist und Library.
Screenshot: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Wer die kostenlose Variante wählt, muss allerdings auch mit einigen funktionellen Einschränkungen leben. So kann hier etwa die Musik nicht im Hintergrund abgespielt werden, die App unter Android und iOS muss also im Vordergrund verbleiben, in der Web-Version ist wiederum die Video-Wiedergabe nicht deaktivierbar. Funktionell erinnert das Ganze damit an das klassische Youtube, das schon jetzt viele für Musikwiedergabe verwenden – allerdings natürlich mit einem für diese Aufgaben wesentlich besser optimierten Interface, wie sich im Test schnell zeigt.

Unter der Lupe

Eine Stärke von Youtube Music ist fraglos die Startseite, die versucht anhand des eigenen Musikgeschmacks passende Empfehlungen vorzunehmen. Diese werden mit zunehmender Nutzung natürlich immer besser, und lernen dabei mit Erlaubnis der User auch von deren Gewohnheiten. Wer der App etwa Zugriff auf den eigenen Standort gibt, bekommt dann von Zeit und Ort abhängige Empfehlungen, etwa gleich eine Workout-Playlist, wenn man trainieren geht. Google betont dabei übrigens, dass all die für diese Individualisierung des Musikangebots gesammelten Informationen nicht für Werbezwecke analysiert werden.

Ein weiterer Punkt, mit dem Google punkten will, ist die Suchfunktion, und tatsächlich erweist sich diese im Test als ein echtes Highlight. Es ist nämlich nicht nur möglich, nach Band- und Songnamen zu suchen, wie man es von anderen Diensten gewohnt ist, auch Textpassagen finden den richtigen Titel – selbst wenn diese lautmalerisch eingegeben werden. Hierfür setzt Google auf die Möglichkeiten des Maschinenlernen, ein ähnliches Feature mit dem man Google Lieder vorsummen kann, gibt es schon seit einiger Zeit für den smarten Lautsprecher Google Home.

Klassische Alben und Musikvideos stehen hier direkt nebeneinander. Die restlichen Interfaces erinnern stark an andere Musik-Player.
Screenshot: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Etwas verloren wirkt hingegen ein zweiter zentraler Punkt der Oberfläche von Youtube Music, die sogenannte Hotlist. Hier werden derzeit besonders beliebte Tracks dargeboten. Diese Liste ist zwar lokal angepasst, wer nicht gerade dem Geschmack des Mainstreams frönt, wird diesen Punkt allerdings bald zu ignorieren lernen. Bleibt noch die Library-Ansicht, in der all jene Alben und Lieder versammelt werden, die man gezielt hinzugefügt hat, und die bisher recht rudimentär wirkt.

Offline

Erwähnt sei, dass sich Musik natürlich auch für die Offlinenutzung sichern lässt, zudem gibt es ein eigenes "Offline Mixtape", das – auf Wunsch – automatisch eine laufend aktualisierte Playlist anhand der eigenen Hörgewohnheiten erstellt. Youtube-Music-Chef T. Jay Fowler betont, dass man damit auf die Realität eingehe, dass die meisten Nutzer keine gezielten Musik-Downloads vornehmen, und dann schnell einmal auf Reisen ohne Zugriff auf ihre Musikauswahl dastehen.

Abspielen

Die eigentliche Wiedergabe der Inhalte erinnert stark an andere Musikstreamingdienste, allerdings mit einem entscheidenden Twist: Kann hier doch über einen eigenen Button zwischen Audio- und Videomodus gewechselt werden – natürlich nur bei jenen Tracks wo auch eine Videokomponente vorhanden ist. Dies ist einerseits eine nette Funktion, um Live-Konzerte von Youtube ohne Bild in Ruhe unterwegs hören zu können, andererseits können auch automatisch eigene Video-Playlisten erstellt werden – ausgehend von einem einzelnen Titel und nach Ähnlichkeit ausgewählt.

Web

Parallel zu den Apps für iOS und Android gibt es auch wieder eine Webversion von Youtube Music, die im Großen und Ganzen die gleiche Funktionalität bietet. Etwas ärgerlich ist allerdings, das hier bisher keine Möglichkeit vorhanden ist, die Inhalte an TV oder Lautsprecher mit Google Cast / Chromecast zu übertragen, eine Sonos-Anbindung fehlt ebenso.

Dafür kann Youtube Music künftig auch als Default-Wahl für smarte Lautsprecher mit dem Google Assistant festgelegt werden. Doch zurück zur Webversion: Diese hat auch einen Miniplayer und einen Fullscreen-Modus, ein Deaktivieren der Videowiedergabe ist hier derzeit hingegen nicht möglich. Eine separate Desktop-App sucht man ebenfalls vergeblich – wer Google kennt, weiß auch, dass mit einer solchen eher nicht zu rechnen ist.

Der Web-Client für Youtube Music.
Screenshot: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Stärken und Schwächen

In der Entwicklung sei es generell wichtig gewesen, dass Youtube Music möglichst einfach zu nutzen sei, betont Google. Zumindest dieser Punkt darf als durchaus gelungen bezeichnet werden. Der Homescreen ist übersichtlich, das Design durchaus gefällig, und bei allen Titeln gibt es passende Empfehlungen für ähnliche Lieder oder Musiker. Doch während diese Kernfunktionalität sehr gut abgedeckt wird, verblüfft auch, wie unfertig der Service an anderer Stelle wirkt. So gibt es bisher keine lückenlose Wiedergabe von Liedern, die Bibliothek-Funktionen sind ebenfalls schwach ausgeprägt, und die Audioqualität kann in vielen Fällen nicht mit der Konkurrenz mithalten. Alles Dinge, bei denen Google Besserung verspricht, trotzdem verblüfft es, dass man so an den Start geht.

Noch mehr gilt diese Kritik für jene Features, die die Nutzer von Play Music, Googles bisherigem Musikstreaming-Dienst, vermissen werden. Ob die Möglichkeit einzelne Lieder hochzuladen oder die automatische Übernahme von bereits erstellten Playlisten in Youtube Music – all das soll erst zu einem späteren Zeitpunkt folgen. Dies führt auch zur etwas absurden Situation, dass Play Music vorerst parallel weiterbetrieben wird, erst nachdem funktionelle Parität bei Youtube Music hergestellt wurde, soll dieser Dienst dann abgedreht werden. Apropos: Bezahlende User von Play Music bekommen automatisch auch ein Abo von Youtube Music – und umgekehrt. Die Services sind also miteinander verschränkt.

Wer will kann auch Playlists ausschließlich mit Musikvideos erstellen lassen.
Screenshot: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Youtube Premium

Doch Googles aktuelle Ankündigung umfasst noch einen weiteren Service, und dieser nennt sich Youtube Premium: Dieser beinhaltet um 11,99 Euro monatlich ein Youtube-Music-Abo, ergänzt dieses aber noch um zwei entscheidende Punkte: Da wäre einmal die Entfernung sämtlicher Werbung auf Youtube, was sowohl Banner-Ads als auch vorgeschaltete Clips betrifft. Zudem gibt es Zugriff auf die Youtube Originals, dabei handelt es sich um Premium-Content von Google. Bisher sind dies vor allem in Kooperation mit bekannten Youtube Creators erstellte Serien, mit "Cobra Kai" und "Impulse" sind hier zuletzt aber auch bereits zwei professionell produzierte TV-Shows hinzugekommen.

Dieses Originals-Angebot will Google in den nächsten Monaten und Jahren immer weiter ausbauen. So sollen ab Herbst auch erste gezielt für den deutschsprachigen Raum produzierte Inhalte erhältlich sein. Bisher ist all das Gebotene hingegen noch sehr auf den englischsprachigen Raum zugeschnitten. So gibt es denn bisher die erwähnten Serien auch nur in englischer Originalfassung.

Ein Detail, das für Play-Music-Abonnenten noch von Interesse sein könnte: In den USA erhalten diese auch vollständigen Zugriff auf Youtube Premium – also zum niedrigeren Preis von 9,99 US-Dollar. Dies ergibt sich daraus, dass der Youtube-Premium-Vorgänger "Red" bislang im Rahmen eines Play-Music-Abos mit dabei war. Im deutschsprachigen Raum ist das leider anders. Hier bekommen bestehende Play-Music-User "nur" Zugriff auf die bezahlte Version von Youtube Music aber nicht auf das komplette Youtube Premium. Wer dies will, muss also um 2 Euro auf das erweiterte Abo aufstocken.

Das Programm der Youtube Originals ist Abonnenten von Youtube Premium vorbehalten.
Screenshot: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Preisgestaltung

Ein Youtube-Music-Abo kann ab sofort für 9,99 Euro monatlich abgeschlossen werden, Youtube Premium kostet wie erwähnt 11,99 Euro. Zusätzlich gibt es einen Familientarif, der um 14,99 bzw. 17,99 Euro mit bis zu fünf weiteren Personen geteilt werden kann. Wer sich nicht gleich auf eine fixe Zahlung einlassen will, kann beide Services drei Monate lang kostenlos nutzen.

Fazit

Angesichts dessen, dass sich viele Nutzer bereits fix auf Spotify, Apple Music oder einen anderen Service festgelegt haben, stellt sich natürlich die Frage, wie Google diese zum Umstieg bewegen will. Die Antwort des Unternehmens: Bei Youtube Music soll es alles an einem Ort geben. Während man bei Konkurrenten oft auf eine andere App wechseln muss, wenn man einmal ein Live-Konzert oder andere Videos der Lieblingsband hören will, gebe es hier alles übersichtlich an einer Stelle.

Im Test erweisen sich das breite Angebot an zusätzlichen Inhalten wie Konzerte und Remixes sowie die gelungene Verschränkung zwischen Audio und Video denn auch wirklich als echte Highlights. Gleichzeitig ist es geradezu frustrierend, wie viele Funktionen derzeit bei Youtube Music noch fehlen, wie unfertig vieles wirkt. Und dass man den Service nicht von Tag 1 an so weit hat, dass bestehende Play-Music-Abonnenten direkt umsteigen können, fällt fast schon in die Kategorie "peinlich".

Viel wichtiger als solche Details bleibt natürlich, die Frage, ob Google damit die Nutzer zum Umstieg bewegen kann. Klar ist jedenfalls, dass die Marke Youtube dafür wesentlich besser geeignet erscheint, als es das bisherige Play Music je war. Zumal viele Leute ohnehin schon jetzt über Youtube Musik hören, hier könnte der Umstieg auf das dediziert Youtube Music also ein logisches Upgrade für solche Aufgaben bilden. Diese dann zu zahlenden Kunden zu machen, wird freilich noch einmal eine wesentlich schwerere Aufgabe – und eine, die sich Google mit einem zum Launch nicht ganz fertig wirkenden Produkt nicht gerade leichter gemacht hat. (Andreas Proschofsky 18.6.2018)