Wien – Aus der Ferne erinnern die voluminösen Objekte an Zirkuszelte. Gestreifte Gebilde, die verteilt über den Großraum Los Angeles kurzzeitig das Stadtbild einfärben. Tritt man näher an sie heran, wird jedoch deutlich, dass es keinen Eingang ins Innere gibt. Die Show findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Das Programm heißt Schädlingsbekämpfung. Mit Giftgas wird den gefräßigen Termiten im Holz der Häuser der Garaus gemacht.

Verpacktes Haus: "Tarpaulins".
Foto: Filmgarten

Das sind die Fakten von Lisa Truttmanns Film Tarpaulins, der sich jedoch nicht wie eine geradlinige Dokumentation nur für solche interessiert. Die österreichische Filmemacherin und Künstlerin, die in Los Angeles studiert hat, nimmt die Objekte eher wie Leitpfosten der Metropole wahr. Sie sammelt sie wie Trophäen auf einer Landkarte, die dann erst allmählich entsteht. Die Arbeiter etwa, die die "Tarps" – so werden die Zeltplanen genannt – an- und ablegen, sind in aller Regel Hispanics. Schon hat die Regisseurin eine Assoziation mehr im weiten Feld der Migration.

Truttmann nutzt die essayistische Form, um ihren Film spielerisch zu erweitern. Protagonisten im engeren Sinne sind keine zu sehen, umso mehr Stimmen und Expertisen werden auf der Tonebene zu einem klug und überraschend dahinmäandernden Audioguide montiert. Die Themen greifen assoziativ ineinander: Entomologen treffen auf Chemiker, was die Auseinandersetzung mit Insekten anbelangt; Stadtplaner erläutern wiederum den Hintergrund dafür, warum in der kalifornischen Metropole aufgrund der Erdbebengefahr mit Holz gebaut wird. So entsteht über den Anlassfall hinaus auch ein soziales Porträt der Stadt, in dem etwa zutage tritt, warum sich die kollektive Angst vor Schädlingen nachteilig auf die Umwelt auswirkt.

Wachsen des Films

Der Angelpunkt von Tarpaulins bleibt jedoch Truttmann selbst, die dem Zuschauer ihren eigenen Status als Neuankömmling in L.A. nicht vorenthält. Die Ordnung des Films, sein Wachsen wird beständig mithinterfragt – ganz im Sinne des Filmemachers Jean-Pierre Gorin, der den Filmessay als eine Form der Umleitungen und Abwägungen beschrieben hat. Die Termiten sind übrigens Namenspatronen dieser Vorgehensweise, die sich hartnäckig in neue Territorien hineinfrisst.

Filmgarten

Truttmann hat sich diese Theorie unakademisch zu eigen gemacht. So wie die Zeltplanen, die sie am Anfang übereinanderlegt, um das Miteinander der Farben auszutesten, lotet auch der Film Verbindungen aus. Die Hand als Filmklappe wird derart zum Lotsen. Die Termitenbahnen – mitunter in Nahaufnahme – gerinnen zum Sinnbild einer Zivilisation, die sich immer wieder aufs Neue gegen die Natur bewähren muss. Besonders schön ist der Spezialeffekt, wenn gelüftet wird, was sich so alles unter den verpackten Häuser versteckt.

Dass nicht alle Routen des Films gleichermaßen an ein Ziel führen – das Haus als unheimlicher, fremdbesetzter Ort bleibt etwa ein wenig unterentwickelt -, gehört da fast zum Prinzip. Auch Sackgassen sind schließlich auf Städtekarten verzeichnet. (Dominik Kamalzadeh, 19.6.2018)