"Chekhov – Fast & Furious" von Superamas am Ende der Wiener Festwochen im Museumsquartier, Raps und Sketches inklusive.


Foto: Nurith Wagner-Strauss

Das ist kein bloßer Trend, sondern eine echte Errungenschaft: Immer öfter wirken Kinder oder Jugendliche bei Performances für Erwachsene mit. Der Bogen reicht von Boris Charmatz’ teils empört beflegelter Choreografie enfant über den Tanz um Handysucht #fomo der österreichischen Company Hungry Sharks bis zu der gespenstischen Arbeit Unforetold von Sarah Vanhee aus Belgien, die vor Kurzem beim Sommerszene-Festival in Salzburg zu sehen war. Dabei kommen keine Märchen zur erzieherischen Erbauung des Nachwuchses auf den Tisch, sondern gesellschaftliche Realitäten.

Das aktuellste Beispiel für dieses künstlerische Phänomen hat am Wochenende die französisch-österreichische Gruppe Superamas als allerletzten Akt der Festwochen mit der Uraufführung von Chekhov – Fast & Furious in der Museumsquartier-Halle G geliefert. Keine Klassiker-Neubearbeitung, sondern ein Experiment, in dem Anton Tschechows 1899 erstaufgeführter Klassiker Onkel Wanja lediglich als Rahmen für eine Zusammenarbeit mit vier Gruppen junger Leute dient.

Superamas wollte wissen, wie Youngsters in Frankreich (Maubeuge und Amiens), Island und Österreich heute auf ihre Lebensbedingungen reagieren. Also hat jede Gruppe aus Onkel Wanja ihr eigenes Thema abgeleitet. Bei den Isländern ist es die "Traurigkeit", in Amiens war "L’amour" wichtig, aus Maubeuge gab’s heftige Kritik an der Politik unter dem Motto "Looking for yourself", und die Wiener nehmen das "Missverhältnis zwischen ununterbrochenem Reden und fehlender Kommunikation" aufs Korn. Bei den Festwochen führte die durchwegs beeindruckende zwölfköpfige Österreich-Crew nicht nur ihren eigenen Teil vor, sondern übersetzte auch noch die per Video eingespielten Statements der anderen live auf der Bühne.

Superamas schafft es hier, persönliche Geschichten und Ansichten ihrer jungen Mitarbeiter dem Tschechow-Stück entsprechend in vier Akte zu packen, die über einzelne Szenen lose mit den Ereignissen auf dem Landgut bei Onkel Wanja verbunden sind. Außerdem werden etliche der Ödnisse sichtbar gemacht, in denen die Jugend heute tanzt, ohne dass das Stück zu einer Empathieschnulze gerinnt.

Dafür wird zum Beispiel die Peinlichkeit des Publikumsgesprächs verspottet (Institutionskritik) oder rast im Video ein Kleinwagen wie von einem Irren gesteuert im Kreis (als Karikatur der Beschleunigung). Abgerechnet wird mittels Rap und Sketches oder etwa einer Improvisation, in der die Jugendlichen selbst eine Zeitungskritik über das Stück attackieren.

Chekhov – Fast & Furious besticht durch Biss, eine raffinierte Dramaturgie, die starke Präsenz der Youngsters und die peinvolle Darstellung der versagenden Erwachsenenwelt durch die Mitglieder des Superamas-Kollektivs. Dieses litt eine Zeitlang an einer künstlerischen Krise. Jetzt nicht mehr. (Helmut Ploebst, 18.6.2018)