Bild nicht mehr verfügbar.

Die BND-Abhörstation in Bad Aibling.

Foto: Reuters

Die deutsche Bundesregierung hat sich von den umfassenden Spionageaktionen des Bundesnachrichtendiensts (BND) distanziert, die von STANDARD und "Profil" enthüllt worden sind. Die Absage von Kanzlerin Angela Merkel an gegenseitige Spionage unter befreundeten Staaten gelte weiter, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag. Merkel hatte im Oktober 2013 betont: "Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht."

Seibert betonte die Freundschaft Deutschlands zu Österreich: "Österreich ist ein guter Freund unseres Landes, und wir sind hoffentlich auch gute Freunde der Österreicher." Im Übrigen habe Wirtschaftsspionage weder in der Vergangenheit noch heute zu den Aufgabengebieten des BND gehört.

Spionage in Österreich erlaubt

Das ist auch im 2016 beschlossenen BND-Gesetz verankert. Spionage unter Freunden ist aber weiterhin möglich. Um Gefahren "für die innere und äußere Sicherheit zu begegnen", darf etwa die Kommunikation von EU-Einrichtungen, öffentlicher Stellen von EU-Staaten sowie einzelner EU-Bürger überwacht werden. So hat der BND "immer eine Begründung für jegliches Abhören", sagt der BND-Kenner Andre Meister von Netzpolitik.org zum STANDARD.

Keine Stellungnahme zu den Vorwürfen

Zu den aktuellen Vorwürfen gegen den BND wollte Seibert nicht Stellung nehmen. Prinzipiell gebe die deutsche Regierung entsprechende Auskünfte nur den dafür vorgesehenen Gremien wie dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags. Dieses hatte bereits am Wochenende angekündigt, sich mit den neuen Vorwürfen befassen zu wollen. Kommende Woche könnte dazu auch eine Sondersitzung des Ausschusses stattfinden, sagte PKG-Vorsitzender Armin Schuster den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Der BND hat zwischen 1999 und 2006 systematisch die Telekommunikation zentraler Einrichtungen in Österreich überwacht. Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatten am Samstag in einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz "volle Aufklärung" von Deutschland verlangt, die Staatsanwaltschaft Wien kündigte ein Rechtshilfeersuchen an Deutschland an. Laut Kurz blieben vor vier Jahren erste Ermittlungen in der Causa ohne Erfolg, weil die deutsche Justiz nicht kooperiert habe.

Guter Dinge

"Wir sind guter Dinge, dass Deutschland bereit sein wird, diese Vorwürfe aufzuklären und Transparenz zu schaffen", sagte Kurz. Dies sei "auch eine Erwartungshaltung". Van der Bellen wollte nicht über mögliche diplomatische Maßnahmen gegen Deutschland spekulieren, äußerte sich aber scharf über die Spionageaktivitäten, die "unerwünscht" und "inakzeptabel" seien und "auf Dauer das Vertrauen zwischen den Staaten infrage stellen" würden.

2.000 konkrete Ausspähziele

Der Direktor des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), Peter Gridling, sagte, die Berichte über die BND-Aktivitäten seien "nicht neu". Nach Aufdecken der NSA-Affäre durch Edward Snowden seien die Aktionen bekannt geworden. "Die Regierung hat das auch gewusst", sagte Gridling am Montag auf Ö1. Strafanzeige sei erstattet worden.

Kanzler Sebastian Kurz, Innenminister Herbert Kickl und Peter Gridling am Samstag.
Foto: APA

Neu sei allerdings im Vergleich zum Informationsstand 2013/2014, dass nun 2.000 konkrete Ausspähziele bekannt geworden seien. Es seien nicht nur österreichische Ziele betroffen, sondern auch europäische Institutionen und Bürger, sagte Gridling.

Die Ermittlungen damals nach dem Bekanntwerden der Affäre hätten "sehr lange gedauert", mangels Unterstützung durch die Deutschen hätten sie aber nicht abgeschlossen werden können. Es gab zahlreiche Kontakte dazu, berichtete Gridling, auch mit dem BND-Präsidenten. Den Ermittlern wurde demnach gesagt, dass es eine politische Entscheidung gewesen sei, die durch das deutsche Kanzleramt getroffen wurde. (sum, APA, 18.6.2018)