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Albert Einstein und seine zweite Frau Elsa an Bord der SS Rotterdam im Jahr 1919. Drei Jahre später reiste er mit ihr nach China. Was er dort schrieb, ist weder für Chinesen noch für Einstein schmeichelhaft.
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Albert Einstein war nicht nur einer der wichtigsten Physiker der Geschichte. Vom US-Magazin "Time" wurde er sogar zur bedeutendsten Person des 20. Jahrhunderts gewählt. Dabei spielte gewiss eine Rolle, dass Einstein nicht nur ein herausragender Wissenschafter war, sondern auch als einer der großen Humanisten gilt, der sich als Intellektueller um das Wohl der Menschheit sorgte.

So setzte sich Einstein, der 1933 vor den Nationalsozialisten flüchten musste, im US-Exil gegen die Diskriminierung der Afroamerikaner ein und kritisierte den Rassismus als "Krankheit der Weißen". Doch seit ein paar Tagen gibt es viel Aufregung um einige Aufzeichnungen, die Albert Einstein während seiner Asienreise im Jahr 1922/23 machte und die, wie die britische Zeitung "The Guardian" titelte, "schockierende Xenophobie" zeigen würden.

Englische Erstübersetzungen

Worum geht es? Und was ist überhaupt der Anlass für diese Diskussionen fast 100 Jahre danach? Kürzlich veröffentliche der Verlag Princeton University Press erstmals englische Übersetzungen der Reisetagebücher 1922/23, die als Band 13 der Gesammelten Schriften auf Deutsch seit sechs Jahren vorliegen und seit vier Jahren online gratis abrufbar sind.

Was bei der deutschen Erstveröffentlichung niemanden zu stören schien, sorgte nun aber für Aufregung rund um den halben Globus. Das lag wohl auch daran, dass Herausgeber Ze'ev Rosenkranz (Caltech) in klaren und wenig beschönigenden Worten zu Einsteins wenig schmeichelhaften Beschreibungen insbesondere der Chinesen Stellung nahm.

So sah Einstein China

Im Reisetagebuch, das nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war, notierte Einstein seine Eindrücke vom Alltagsleben der Chinesen in Hongkong und Schanghai. Einstein machte dabei keine Anstalten, seine europäische Perspektive zu überwinden, und bediente sich einiger damals typischer Vorurteile. Über die Chinesen hieß es ganz allgemein: "Fleissiges, dreckiges, stumpfes Volk." Auch fiel ihm nur ein "geringer Unterschied zwischen Männern und Weibern" auf, was ihn zu folgender Formulierung verleitete: "Ich begreife nicht, was für eine Art Reiz der Chinesinnen die zugehörigen Männer so fatal begeistert, dass sie sich gegen den formidabeln Kindersegen so schlecht zu wehren vermögen."

Der chinesische Kindersegen regte Einstein dann zu einem Gedanken an, den Ze'ev Rosenkranz gegenüber dem "Guardian" als nicht untypisch für eine "rassistische Ideologie" kritisiert: "Es wäre doch schade", schrieb Einstein in Hongkong, "wenn diese Chinesen alle andern Rassen verdrängten. Für unsereinen ist schon der Gedanke daran unsäglich langweilig." In Schanghai notierte Einstein dann unter anderem: "Merkwürdiges Herdenvolk, oft respektable Bäuchlein, immer gute Nerven, oft mehr Automaten als Menschen ähnelnd."

Nicht ganz so drastisch sind dann Einsteins Eindrücke in Japan und auf Sri Lanka, doch auch hier ist der Blick zweifellos eurozentrisch.

Diskussionen in China

Die staatlichen Medien Chinas übernahmen den "Guardian"-Bericht mit den vorurteilsbeladenen Zitaten kommentarlos. Für Kommentare sorgten dann allerdings die Leserinnen und Leser in China. Und die fielen denkbar unterschiedlich aus, wie der Sender Deutsche Welle berichtete. So hieß es in einem Posting: "Einstein war ein bedeutender Naturwissenschafter. Aber wenn es um Respekt gegenüber anderen Völkern geht, disqualifizierte er sich."

Ein anderer Leser meinte: "Seine Argumente sind in der Tat rassistisch. Ich glaube, er hätte so was nach dem Zweiten Weltkrieg nicht geschrieben." Wieder ein anderer gibt zu bedenken, dass Einstein "über die reale Situation der chinesischen Gesellschaft" geschrieben habe, die damals "eine der dunkelsten und unwissendsten Zeiten" durchmachte.

"Kein Heiliger"

Im "Guardian" nahm auch noch der Wissenschaftsautor Philip Ball Stellung. Für ihn sage die Diskussion mehr über unsere Heldenverehrung für große Wissenschafter aus als über diese selbst. Einstein sei zweifellos ein Physikgenie gewesen, aber – ähnlich wie Richard Feynman oder Stephen Hawking – etwa auch im Umgang mit Frauen gewiss kein Heiliger. (Klaus Taschwer, 19.6.2018)