Eigentlich müsste man mit einem Fußballvergleich beginnen à la: Da läuft es bei der WM für die Deutschen genauso schlecht wie in der Politik. Doch in Berlin ist die Lage noch ernster – kann man sich doch nicht erinnern, dass der Innenminister der Kanzlerin ein Ultimatum stellt und diese ihm unverhohlen mit ihrer Richtlinienkompetenz droht.

Sehr vordergründig ist der Montag in Berlin und München zunächst nicht so schlecht gelaufen. Wie erwartet bekommt Angela Merkel von Horst Seehofer jetzt mehr Zeit. Nicht binnen Stunden muss der Asylstreit nun gelöst werden. Dies sei die einzige Möglichkeit, hatten die Scharfmacher in der CSU ja noch vor kurzem erklärt.

Jetzt darf es ein bisserl mehr sein, die Frist wird auf zwei Wochen verlängert. Das ist aus Sicht der CSU kein blöder Schachzug. Sofort auf komplett stur und auf einen Alleingang Seehofers zu schalten, das hätten wohl nur die allergrößten Fans von Franz Josef Strauß selig verstanden.

Auch wenn die Wut über Merkels Kurs mittlerweile riesige Ausmaße erreicht hat: Es musste jedem klar sein, dass es sich chancenmindernd bei der bayerischen Landtagswahl im Herbst ausgewirkt hätte, wenn die CSU binnen Stunden die Kanzlerin aus dem Amt gekippt hätte. Das mag zwar das Kalkül so manches Strategen sein: Verschwindet Merkel, dann bringt das viele jener, die jetzt mit der AfD liebäugeln, zurück zur CSU. Doch dies ist eine gewagte, gar bizarre Hoffnung.

Nun gibt es Fristverlängerung für die Kanzlerin, die CSU will sich ja nichts vorwerfen lassen. Merkel gewinnt also mehr Zeit, sonst aber nichts. Sie muss ja dennoch liefern, aber es ist fraglich, ob sie es schafft, in der kurzen Zeit tatsächlich eine Lösung vorzulegen, die die CSU zufriedenstellt. Bisher war sie mit ihrem Vorhaben, Flüchtlinge gerechter in Europa zu verteilen, nicht erfolgreich. Und unter Druck gesetzt erreicht man manchmal erst recht nichts.

Machtkampf

Ob es bei irgendwem, selbst bei Merkel, noch um das Schicksal von Menschen oder eine bessere Ordnung für Europa geht, sei dahingestellt. Es tobt der Machtkampf, es geht darum, wer sich durchsetzt: Merkel oder Seehofer? Selbst wenn es eine Lösung gibt am Ende der zwei Wochen, fragt man sich jetzt schon: Wie wollen diese beiden danach noch den Rest der Legislaturperiode (immerhin dreieinhalb Jahre) miteinander auskommen? Es scheint unmöglich.

Aber Merkel wird kämpfen, weil sie an ihre Überzeugung und ihre Werte glaubt – und natürlich auch, weil sie nicht von Seehofer vom Hof gejagt werden will. Doch so bequem, wie der CSU-Chef vielleicht glaubt, ist die Situation für ihn auch nicht.

Wenn Merkel es nicht schafft, dann muss er, um nicht von der CSU als Weichei und Umfaller verspottet oder gar verstoßen zu werden, tatsächlich eigenmächtig die Bundespolizei anweisen, bereits registrierte Asylwerber künftig an der Grenze Deutschlands zurückzuweisen.

Das könnte sich Merkel natürlich nicht bieten lassen, sie müsste ihn hinauswerfen, würde aber schwerlich einen anderen CSUler finden, der als Innenminister ihren Weg mitgeht. Es wäre also das Ende von allen beiden und das Ende dieser Koalition.

Wie die deutsche Elf in Russland hat auch Merkel noch die Chance, das ganz große Desaster abzuwenden – allerdings mit einem Unterschied: Scheitert die Fußballnationalmannschaft, dann ist das leichter zu verkraften als ein Ausfall der Regierung. (Birgit Baumann, 18.6.2018)