Auch wenn der Eklat nun fürs Erste verschoben ist: Für Angela Merkels Versuche, in der Flüchtlingspolitik europäische Lösungen zu finden – oder zumindest Vereinbarungen zwischen mehreren betroffenen Staaten in einem den europäischen Grundrechten entsprechenden Geist -, ist der "Masterplan" Horst Seehofers eine Falle. Denn die vom CSU-Innenminister angepeilte Rückweisung aller Fremden, die bereits in einem anderen EU-Staat registriert wurden, würde das Prinzip Dublin einzementieren: jene der gleichnamigen Verordnung entsprechende Vorgangsweise, die die Grenzstaaten der Union für den Großteil ankommender Asylsuchender verantwortlich macht und die seit langen Jahren ein Spaltpilz zwischen Zentrum und Peripherie ist.

Tatsächlich stehen, was Dublin betrifft, die Interessen der EU-Grenz- und jene der Binnenstaaten zueinander klar im Gegensatz. Den Ländern inmitten der Union sichert die schon dreimal novellierte Dublin-Verordnung, die ursprünglich eigentlich garantieren sollte, dass jeder Flüchtling in der EU nur ein einziges Asylverfahren durchläuft, Schutz gegen Asylwerber in größerer Zahl zu. Die Länder am Rande wiederum, vor allem Italien und Griechenland, sehen sich zu asylpolitischen Pufferzonen degradiert – umso mehr, als der während der großen Fluchtbewegung gestartete Versuch der EU-weiten Flüchtlings-Relocation kläglich gescheitert ist.

Dieser Konflikt würde durch Rückweisungen à la Seehofer verschärft, denn es käme wahrscheinlich zu einer Kettenreaktion weiterer Asylwerber-Abwehrmaßnahmen quer durch den Kontinent. Als gemeinsamer Nenner bietet sich nach derzeitigem Stand also nur die Verschiebung des Problems in Länder außerhalb der Union an – Stichwort exterritoriale Aufnahmezentren. Doch so oder so: Das Nachsehen werden nun die Flüchtlinge haben. (Irene Brickner, 18.6.2018)