Weniger Arbeitslose durch Minijobs – dafür sinkende Löhne.

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Fördern und fordern, so lautet das berühmte Motto von Hartz IV. Dieses Rezept für wenig Zuckerbrot und viel Peitsche, das die Langzeitarbeitslosigkeit so unattraktiv wie möglich machen sollte, ist heißer umstritten als jede andere deutsche Reform. Befürworter machen es verantwortlich für den rekordmäßigen Rückgang der Arbeitslosigkeit in Deutschland: Bei der Einführung von Hartz IV im Jahr 2005 hatte die Arbeitslosenquote mit elf Prozent ihren historischen Höchststand erreicht, 2017 lag sie bei 3,8 Prozent – dem niedrigsten Stand seit Anfang der 80er-Jahre.

Gegner der Reform sehen in ihr jedoch das reine Übel: Denn viele der Jobs, die seit Hartz IV entstanden sind, sind im Niedriglohnsektor anzusiedeln. Gedrückte Löhne, ungesicherte, atypische Teilzeitbeschäftigung und weniger Produktivität – alles vermeintliche Folgen von Hartz IV. Wer hat nun recht? Genau dieser Frage hat sich nun der Mannheimer Ökonom Tom Krebs erneut angenommen. In einer bislang unveröffentlichten Studie will er herausgefunden haben, dass Hartz IV "aus gesamtwirtschaftlicher und gesellschaftspolitischer Sicht mehr geschadet als genutzt" hat, so Krebs in einem Blogeintrag auf Makronom.de.

Studie "nicht plausibel"

Krebs hält eine Studie von Krause und Uhlig aus dem Jahr 2012, die eine langfristige Senkung der Arbeitslosigkeit um fast drei Prozentpunkte aufgrund von Hartz IV beobachtet hatte, für "nicht plausibel". Die Studie hatte argumentiert, dass die durch Hartz IV verschlechterte Situation von Arbeitslosen Gewerkschaften geschwächt und somit Löhne gesenkt habe. Daraus resultierende steigende Unternehmensgewinne seien für die Schaffung neuer Jobs verantwortlich, so das Ergebnis.

Krebs widerspricht dieser These: Der Ökonom weist darauf hin, dass die Lohnzurückhaltung durch die Gewerkschaften schon lange vor Hartz IV Ende der 90er-Jahre begonnen habe, ein Beschäftigungsboom damals jedoch ausgeblieben sei. Die noch unveröffentlichte Studie von Krebs und seinem Kollegen Martin Scheffel kommt stattdessen zu dem Ergebnis, dass Hartz IV die strukturelle Arbeitslosigkeit nicht um drei Prozentpunkte, sondern nur um etwas mehr als einen halben Prozentpunkt gesenkt habe. Krebs schlussfolgert, dass Hartz IV daher nicht als Reformvorbild für andere Eurostaaten dienen könne, dass man "substanzielle Korrekturen" erörtern müsse sowie eine Verbesserung des Arbeitsangebots – "mehr Zuckerbrot statt Peitsche" also.

Grundeinkommen statt Hartz IV

Die Studie könnte der aktuell wieder aufkochenden Grundsatzdebatte über Hartz IV neuen Spin verleihen. Denn mit seiner Meinung steht Krebs keinesfalls alleine da: Hartz IV durch ein solidarisches Grundeinkommen zu ersetzen ist längst keine extreme Idee aus Berliner SPD-Kreisen mehr.

Während manche die Reform noch reformieren wollen, wollen andere nur noch abschaffen: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will den Begriff gar nicht mehr in den Mund nehmen, da er die Gesellschaft spalte. Selbst viele derjenigen, die noch an Sanktionen für hartnäckige Arbeitslose glauben, haben mittlerweile begriffen, dass Fordern ohne Fördern nicht aufgeht. Deutschlands immer kritischer werdender Fachkräftemangel dürfte ein tiefgründiges Überdenken von Hartz IV ebenfalls befeuern, möglicherweise nach dem Motto "Besser spät als nie". (Jedidajah Otte, 19.6.2018)