Sprache unterliegt dauernden Veränderungen.

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Am Anfang war das Wort ... und wer jetzt nicht nur in der Bibel, sondern auch bei Goethes "Faust" nachschlägt, wird schon etwas weiter kommen, am Ende gar zu Stuart Hall und Paul Watzlawick. Jeder von uns, der nicht wie Kaspar Hauser aufgewachsen ist, ist wohl in seinem Denken durch die Summe alles jemals Gelesenen und Gehörten geprägt. Und genauso wurde auch jedem von uns beigebracht, keine Süßigkeiten von Fremden anzunehmen, auch wenn sie noch so freundlich zu uns sprechen. Man sollte also in der Lage sein, bei Empfang und Decodierung einer Botschaft auch deren Absender einzubeziehen. Ein Umstand, dem noch in meiner eigenen, internetlosen Jugend relativ leicht Rechnung zu tragen war, denn die Anzahl der potenziellen Absender hielt sich, auch bei recht umtriebigen Personen, doch stets in engen Grenzen.

... und dann kam das Internet: Eine scheinbar wunderbare Erfindung, die unsere Kommunikation eben nicht nur vereinfacht hat, sondern eben auch potenziell vervielfacht, was zum einen zwar einen gewaltigen Zugewinn an Wissen ermöglicht, zum anderen aber ein nie da gewesenes Maß an Quellenkritik sozusagen als Bringschuld einfordert. Wer diese nicht mitbringt und etwa auf sogenannten Social-Media-Plattformen wirklich davon ausgeht, er habe fünftausend Freunde auf dieser Welt, mit denen er noch dazu nicht einmal individuell, sondern in grenzenloser Selbstüberschätzung quasi als kleiner Zeitungszar kommuniziert, hat zwangsläufig ein Kommunikationsproblem und sollte nebstbei seinen Freundschaftsbegriff hinterfragen.

... gefolgt von Political Correctness und Zensur: Unbestritten, Worte können uns verletzen, und was von einer Person geäußert ein langersehntes Liebesbekenntnis ist, kann von einer anderen eben eine Belästigung sein. Mit beidem richtig umzugehen können, ja, müssen wir lernen, doch ist das eben eine höchst persönliche Sache, der ein Staat nicht mit Geboten und Verboten beizukommen vermag. Versucht er es dennoch, drängt er jegliche Sprache in die innere Emigration, denn noch sind Gedanken frei. Hier sei Karl Farkas zitiert: "Sie sind ein törichter weißer Vogel!" – "Wie bitte?" – "Na, wenn ich sag', sie san a dumme Gans, verklagen S' mich!"

Und irgendwann landen wir beim Orwell'schen Neusprech: Nahezu unabhängig von den Sprechenden ist unsere Sprache wie ein lebender Organismus, sie verändert sich laufend, und wer solche Veränderungen, wie zum Beispiel all die Anglizismen, nicht mitmacht, schließt sich sukzessive von erfolgreicher Kommunikation aus. Wenn aber eine Obrigkeit versucht, diese Entwicklung zu beeinflussen, kann dies im besten Fall im Chaos, wie uns diverse Rechtschreibreformen zeigen, oder eben im schlimmsten Fall in einer Sprachdiktatur enden. Was man beim NS-Verbotsgesetz noch akzeptiert, wird ausgeweitet auf Binnen-I, #MeToo-Wahnsinn und Priester- oder Imamgeschwurbel langsam zu einer bedenklichen Entwicklung im staatlichen Regulierungswahnsinn, den nicht nur in diesem Bereich zu kritisieren Bürgerpflicht sein sollte. (Thomas Höbelt, 16.7.2018)