Mädchen oder Bub? In Österreich kommen jährlich etwa 50 Kinder ohne eindeutiges Geschlecht zur Welt.

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Wien – In den vergangenen Jahrzehnten sind bei Kindern mit nicht eindeutig bestimmbarem Geschlecht oft schon im Kleinkindalter geschlechtsanpassende Operationen durchgeführt worden, oft ohne die Eltern grundlegend über Maßnahmen und Ziele zu informieren und ohne die Langzeitfolgen zu kennen. Immer wieder kam es dabei zu Fehlbehandlungen, heißt es in einer Aussendung der MedUni Wien. Ein neu erstelltes Consensus-Papier soll nun als Grundlage eines einheitlichen medizinischen Umgangs dienen.

Störungen der kindlichen Geschlechtsentwicklung sind in Diagnose, Beratung und Therapie eine große medizinische Herausforderung, schreibt die MedUni. Anders als früher gilt DSD (Differences of Sexual Development) heute als komplexe Erkrankung mit einer Vielzahl von Ausprägungen. Ziel ist eine interdisziplinäre Behandlung je nach Alter und Ausprägung, und nicht mehr die sofortige operative Geschlechtsanpassung.

50 Kinder pro Jahr in Österreich betroffen

Menschen, die von der heute als seltene Erkrankung eingestuften "Diverse Sex Development" (DSD) betroffen sind, wurden früher als "intersexuell" bezeichnet. Damit ist gemeint, dass es bedingt durch genetische, anatomische oder hormonelle Ursachen nicht eindeutig möglich ist, dem weiblichen oder männlichen Geschlecht zugeordnet werden zu können. Im Unterschied dazu werden transsexuelle Menschen medizinisch gesehen als biologisch eindeutig definiert, aus subjektivem Empfinden fühlen sie sich aber dem anderen Geschlecht zugehörig. Man geht davon aus, dass zirka jedes 1.500. Neugeborene von DSD betroffen ist. In Österreich wären das zirka 50 Kinder pro Jahr.

Um die Behandlung der Betroffenen zu verbessern, wurde von führenden medizinischen Experten, Selbsthilfegruppen und betroffenen Erwachsenen als Resultat eines dreijährigen Forschungsprojekts ein neues Consensus-Papier zum Thema DSD in Europa erarbeitet. "Das Ziel war, eine ganzheitliche Perspektive auf das weite Feld der DSD zu etablieren und dabei alle Bereiche des Lebens wie Sexualität, Arbeitsleben und Kinderwunsch mitzudenken", heißt es in der Aussendung. Aus Österreich waren unter anderen der Kinderurologe Alexander Springer von der Klinischen Abteilung für Kinderchirurgie und der Kinderarzt Stefan Riedl von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der MedUni Wien beteiligt. Das Papier wurde nun im renommierten Journal "NatureReviews Endocrinology" publiziert. (APA, 19.6.2018)