Muss liefern: Mesut Özil.

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Watutinki/Sotschi – Für Lothar Matthäus ist die Sache klar. Nach dem historischen WM-Fehlstart muss Mesut Özil im "Alles-oder-nichts-Spiel" am Samstag gegen Schweden das erste Opfer sein. "Da ist kein Herz, keine Freude, keine Leidenschaft", schrieb Matthäus in seiner "Bild"-Kolumne: "Ich habe bei Özil auf dem Platz oft das Gefühl, dass er sich im DFB-Trikot nicht wohlfühlt, nicht frei ist, ja fast: als ob er gar nicht mitspielen möchte."

"Die Körpersprache eines toten Frosches"

Der Weltmeisterkapitän von 1990 steht an der Spitze einer langen Reihe von Kritikern, die auf Özil nach der Pleite gegen Mexiko (0:1) einprügeln. Dabei leistete sich Mario Basler eine verbale Entgleisung unter der Gürtellinie. Özil habe "die Körpersprache eines toten Frosches", behauptete der Ex-Nationalspieler.

Kritik an Özil ist spätestens seit der Erdoğan-Affäre in Mode gekommen. Die Rolle des 29-Jährigen ist aber differenzierter zu betrachten. Özil setzte beim WM-Auftakt zu wenige Akzente, es mangelte an Kreativität. Doch einige Mitspieler, etwa Sami Khedira oder Thomas Müller, waren schlechter als der Regisseur des FC Arsenal.

Özil, der seit den Mitte Mai in London entstandenen Bildern mit dem umstrittenen türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan in der Öffentlichkeit schweigt, meldete sich immerhin auf seinen Profilen in den sozialen Netzwerken zu Wort. Die Mannschaft habe zu viele Fehler gemacht und müsse sich jetzt verbessern, schrieb Özil. Das Spiel gegen Schweden werde "unser erstes Finale". Mit Özil?

Reus als Alternative

Bundestrainer Joachim Löw hielt seiner Nummer zehn bisher stets die Treue. In allen 26 EM- oder WM-Spielen unter Löw stand Özil in der Startelf. Klar ist aber auch: Marco Reus drängt ins Team, Löw müsste für den Dortmunder Platz schaffen. Wechselt Löw positionsgetreu, umfasst die Streichliste drei Namen: Timo Werner, Julian Draxler und eben Özil.

Dass der Ex-Schalker und -Bremer wie in der Schlussphase gegen Mexiko zurück an die Seite von Kroos rückt, scheint angesichts der mangelnden Stabilität über weite Strecken des Spiels eher unwahrscheinlich. "Wir werden nicht von unserem Weg abgehen, wir müssen unsere Stärke wiederfinden", sagte Löw, der Özils Fähigkeiten schätzt. In 91 Länderspielen war dieser an 63 Treffern (23 Tore, 40 Vorlagen) direkt beteiligt. Der Unterstützung seiner Mitspieler kann sich Özil daher noch sicher sein. Draxler lobte ihn zuletzt als "unseren kreativsten Spieler".

Matthäus sieht dies anders. Nach den letzten Eindrücken sei für ihn "nicht ausgeschlossen, dass er nach der WM aus der Nationalmannschaft zurücktritt. Er ist ohne Freude im Spiel", schrieb Matthäus, der Löw kritisierte: "Seit ein, zwei Jahren spielt Özil deutlich schwächer und auf einem Niveau, das den Freifahrtschein von Löw nicht rechtfertigt." Özil muss gegen Schweden stark sein, um seine Kritiker verstummen zu lassen. (sid, 19.6.2018)