Wien – Der gute Gott oder der liebe Herr Jesus sind nicht mit an Bord. Und auch die Fernfahrerdrogen in der Großpackung fehlen. Ansonsten kann man aber im konkreten Fall von der lange erwarteten Auferstehung von Johnny Cash, June Carter-Cash und der Carter Family unter den Bedingungen des Hip-Hops sprechen. Bei "The Carters" handelt es sich im konkreten Fall um das Ehepaar Beyoncé Knowles und Shawn Carter alias Jay-Z. Die Alice Fischer und Helene Schwarzer des R 'n' B und der meinungsstarke Hip-Hop-Mogul ("I got 99 problems but a bitch ain't one") legen es auf ihrem gemeinsamen Album ähnlich tapfer vor Zweisamkeit strotzend an.

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Beyoncé und Jay-Z: "We still got love for the streets!"
Foto: Mason Poole/Invision for Parkwood Entertainment/AP Images

Die Songs des nur digitalen Albums Everything is Love führen die Synergien von Beyoncés Opus magnum Lemonade (2016) und Jay-Zs 4:44 (2017) zusammen. Nach Kollaborationen darauf ist Everything is Love nun also nach drei gemeinsamen Realbabys das lange erwartete vierte Kind der Liebe geworden. Es wurde am Wochenende ohne Vorwarnung auf der im Mitbesitz befindlichen Streamingplattform Tidal veröffentlicht, mittlerweile kriegt man es auch woanders, sogar legal.

Außenstehende wollen ein Album über den glücklichen Ehealltag, Liebe, Verständnis und das Verzeihen wegen gelegentlichen Aushatschens ungefähr so dringend hören wie einen Diavortrag von Onkel Erna über seinen Ausflug zur Blumeninsel Mainau gemeinsam mit der Tante Günther, also definitiv gar nicht. Und eigentlich gibt es für solche romantisch-materialistischen Anlässe eh schon genug anderen akustischen Sperrmüll. Kanye West, ein Freund des Hauses, hat da einiges an Vorarbeit geleistet.

Beyoncé

The Carters besingen und berappen also nicht nur die Familie und die Ehe, sondern auch das Jetsetten und Influencen, die Designerklamotten, ihre Luxusimmobilien, die Freuden des Berühmtseins und dass man das Vor-Geld-Stinken nur empfehlen kann, weil arm sein oft als unangenehm empfunden wird. Kann man als Black Power sehen, geht aber auch als farbloser Eins-a-Ellbogenkapitalismus durch: "I can do anything!"

Zu schiggernden Trap-Beats und total verrockten Schräglagenakkorden (bereitgestellt etwa von Pharrell Williams) hören wir Durchhalteparolen aus Autos, die mit Dom Pérignon betrieben werden oder aus dem Pariser Louvre (nette Bude, teuer eingerichtet): "We still got love for the streets!" Oder: "My great-great-grandchildren already rich / That's a lot of brown children on your Forbes list". Die Welt kann traurig sein. (Christian Schachinger, 20.6.2018)