Dicke Luft auf hoher See: Rund drei Prozent aller vom Menschen verursachten CO2-Emissionen gehen heute auf den Schiffsverkehr zurück, dazu 15 Prozent der Stickoxid- und 13 Prozent der Schwefeldioxidemissionen.
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Ob es mit dem Flugzeug in den Urlaub geht oder selbiger auf einem Kreuzfahrtschiff stattfindet: Einen schlanken ökologischen Fuß(abdruck) macht die eine Fortbewegungsart so wenig wie die andere. Wobei die Hochseeschifffahrt erst vergleichsweise spät als Umweltsünder ins mediale Rampenlicht rückte.

Das ist erstaunlich, denn Schiffsemissionen haben es in puncto Schadstoffe in sich: Von Schwefel- und Stickoxiden über Kohlenstoffdioxid bis zu Feinstaub und Rußpartikeln blasen die Ozeanriesen, die zu 71 Prozent noch immer mit Schweröl und zu 28 Prozent mit Diesel angetrieben werden, in die frische Meeresluft – und das in Mengen, die oft weit über den für den Straßenverkehr geltenden Grenzwerten liegen. Laut der Uno gehören Schiffe überhaupt zu den wichtigsten CO2-Quellen.

Die zunehmende Globalisierung und wachsender Konsum sorgen zudem dafür, dass der Verkehr auf den Weltmeeren weiter ansteigt und die Schiffe noch größer werden. Bis 2050, so die Prognosen, werde sich der Gütertransport auf Schiffen verdreifachen.

Dass sich die Schifffahrt angesichts dieser Aussichten so lange erfolgreich gegen Umweltauflagen wehren konnte, liegt vor allem an ihrer Internationalität. So haben sich die 174 Mitgliedstaaten der International Maritime Organisation (IMO) erst vor wenigen Wochen darauf geeinigt, die durch Schiffe verursachten CO2-Emissionen bis 2050 zu halbieren.

Völlig neue Technologien für Schiffe

Um dieses Ziel zu erreichen, müssen noch etliche Millionen in Forschung investiert werden. 9,2 Millionen davon werden in das EU-Projekt HyMethShip fließen, das vom Großmotorenforschungszentrum LEC an der TU Graz geleitet und technologisch umgesetzt wird.

Wie es dem meeresfernen Österreich gelang, den Zuschlag für dieses maritime Prestigeprojekt zu bekommen? "Wir setzen Technologien ein, die für die Schifffahrt bislang noch nicht genutzt wurden", sagt LEC-Geschäftsführer Andreas Wimmer. "Diese haben das Potenzial, die Schwefel- und CO2-Emissionen im Marinebereich fast ganz zu eliminieren."

Kreuzfahrtschiffe gehören zu den größten Verschmutzern der Meere.
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Das klingt nicht gerade bescheiden, und unbescheiden sind auch die Ziele dieses auf drei Jahre angelegten Projekts: 97 Prozent weniger Kohlendioxid, 80 Prozent weniger Stickoxide, dafür aber fast um die Hälfte mehr Energieeffizienz im Vergleich zu anderen innovativen Technologien zur CO2-Abscheidung. "Nahezu vollständige Emissionsfreiheit und höhere Energieeffizienz sind kein Widerspruch – ganz im Gegenteil", betont Wimmer.

Methanol als Primärenergieträger

Aber wie will man das bewerkstelligen? "Unser Weg führt über Wasserstoff zu Methanol", erklärt Konsortiumspartner Stephan Laiminger von Jenbacher Gasmotoren. Damit lasse sich das große Problem der Speicherung von erneuerbaren Energien lösen. "Mit dem neuen Konzept können große Mengen an erneuerbarer Energie über einen längeren Zeitraum gespeichert werden, wodurch de facto ein emissionsfreier Schiffsantrieb möglich wird."

Konkret wird dafür an Bord des Schiffes durch Methanolreformierung aus einem Methanol-Wasser-Gemisch reiner Wasserstoff hergestellt und in einem für den Wasserstoffbetrieb optimierten Hubkolbenmotor verbrannt. Und das, fast ohne CO2-Emissionen zu verursachen.

"Diese massive Emissionsreduktion erreichen wir durch den Einsatz von regenerativ erzeugtem Methanol als Primärenergieträger sowie die Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoff bereits vor der Verbrennung", erklärt Andreas Wimmer.

Das abgeschiedene CO2 wird verflüssigt, an Land gebracht und wieder zur Methanolproduktion genutzt. Daraus ergibt sich idealerweise ein geschlossener Kohlendioxidkreislauf für den Schiffsantrieb. Das HyMethShip-Konzept kombiniert einen Membranreaktor, ein System zur CO2-Abscheidung, ein Speichersystem für CO2 und Methanol sowie einen Wasserstoffverbrennungsmotor zu einem neuen Gesamtsystem, das für alle Schiffstypen funktioniert.

Lange Lebensdauer der Ozeanriesen

"Für den Güter- und Personentransport auf Mittel- und Langstrecken ist unser Konzept zurzeit die zukunftsträchtigste Methode, um die erforderliche CO2-Reduktion bei gleichzeitiger Wirtschaftlichkeit zu erreichen", sagt der LEC-Geschäftsführer. Theoretisch und im Labormaßstab konnten die Forscher bereits nachweisen, dass dieses innovative Konzept tatsächlich funktioniert.

"Im nächsten Schritt bauen wir einen Demonstrator, um das Zusammenspiel der einzelnen Technologiebausteine zu optimieren", verrät Stephan Laiminger. Die große Herausforderung liege dabei in der reibungslosen Zusammenarbeit sämtlicher Einzelteile und in der Skalierung. Ist die technische Umsetzung zufriedenstellend gelungen, muss schließlich auch noch die Wirtschaftlichkeit des Systems unter die Lupe genommen werden.

Laut Prognosen wird sich der Gütertransport auf Schiffen bis 2050 verdreifachen – Zeit also für eine ökologische Wende auf See.
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Selbst wenn sich auch in dieser Hinsicht die Erwartungen erfüllen, wird man auf die neuen, emissionsreduzierten Ozeanriesen wohl noch länger warten müssen. Das hat einerseits mit der langen Lebensdauer dieser Schiffe zu tun, die oft bis zu 40 Jahre im Einsatz sind, andererseits aber auch mit der Behäbigkeit der Schifffahrtsindustrie.

Langer Weg bis zur Umsetzung

Selbst durch die Einigung der IMO auf eine Halbierung der CO2-Emissionen werden emissionsreduzierte HyMeth-Schiffe allerfrühestens in zehn bis 15 Jahren in See stechen können – so lange wird es bis zur industriellen Umsetzung noch dauern. Und bis sie sich etabliert haben, können noch viele Tausende Tonnen CO2 in die Luft geblasen werden.

"Die Durchsetzung von neuen, emissionsarmen Technologien liegt in der Hand von staatlichen Regulierungen. Diese werden aber nur sehr schleppend den Notwendigkeiten des Klima- und Umweltschutzes nachgezogen", sagt Peter Steinrueck vom Konsortiumspartner Hoerbiger Division Engines.

Vielleicht kann ja die neue, in Graz entwickelte Technologie etwas Bewegung in die Angelegenheit bringen. Immerhin befinden sich unter den 13 Projektpartnern aus sechs EU-Staaten neben Forschungseinrichtungen wie LEC, TU Graz oder Fraunhofer auch diverse Komponenten- und Anlagenhersteller, eine Werft, eine Reederei und eine Klassifizierungsgesellschaft. Damit wollte man sicherstellen, dass die im Projekt entwickelten Innovationen auch wirklich auf den Markt gelangen. (Doris Griesser, 21.6.2018)