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"Ich erinnere mich, wie ich mit meinem Bruder und ...

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... meiner Mutter im Dunkeln saß, unsere Gebete sprach und dachte, glaubte, wusste ... es wird passieren", erzählt Romelu Lukaku.

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Romelu Lukaku kann sich noch ganz genau erinnern. "Meine Mutter vor dem Kühlschrank, ihr Gesichtsausdruck." Sie mischte Milch mit Wasser. Der kleine Romelu war sechs Jahre alt. "Ich habe es gleich geschnallt. Wir waren pleite", erzählt Lukaku in einem Artikel für "The Players' Tribune".

"Es gab immer nur Brot und Milch", schreibt Lukaku, "als Kind denkt man sich nichts dabei." Nun reichte die Milch nicht mehr für die ganze Woche. Lukaku senior war am Ende seiner Karriere als Profifußballer. Kein Geld, kein Kabelfernsehen. Wochenlang kein Strom, kein warmes Wasser. Aber keine Milch mehr?

"Ich schwöre bei Gott, dass ich mir damals ein Versprechen gegeben habe. Es war, als hätte jemand mit den Fingern geschnippt und mich aufgeweckt. Ich wusste genau, was ich tun musste und was ich tun würde", schreibt Lukaku.

"Habe versucht, dich umzubringen"

Der in Antwerpen geborene Bub versprach seiner kongolesischen Mutter, in zehn Jahren für Anderlecht zu spielen. "Jedes Spiel war ein Finale. Spiel im Park: Finale. In der Pause im Kindergarten: Finale. Ich habe nicht herumgespielt. Ich habe versucht, dich umzubringen."

Romelu wuchs schnell, wechselte mit elf Jahren von seinem Heimatverein Royal Boom zu Lierse SK, trug mit zwölf die Schuhe seines Vaters. Bei Jugendspielen wollten Eltern seinen Ausweis sehen, fragten, woher er kam. "Ich hätte deinen Sohn sowieso gekillt, aber jetzt werde ich ihn zerstören", dachte sich Lukaku.

Ansage mit Folgen

Der Teenager schoss Unmengen an Toren, wechselte zu Anderlecht. Dort saß der 15-Jährige zum Saisonstart auf der Bank der U19. "Wenn ich spiele, schieße ich bis Dezember 25 Tore", garantierte er seinem Trainer. Wenn er es schaffte, müsste der Coach Minivans putzen und Pfannkuchen machen. Das 25. Tor schoss Lukaku noch im November, an seinem 16. Geburtstag unterschrieb er einen Profivertrag. Es gab wieder Kabelfernsehen.

Der Rest ist wie aus einem Märchen: Am Tag vor dem Rückspiel im Playoff um den belgischen Meistertitel klingelt Lukakus Handy. "Du musst sofort zum Stadion. Die erste Mannschaft will dich jetzt." Elf Tage nach seinem Geburtstag debütierte der 16-Jährige für Anderlecht.

Im August schoss er sein erstes Profitor: "Das hat mein Leben verändert. Ich sah meine Mutter nicht mehr weinen." Lukaku machte seinen Schulabschluss, flog nach dem Unterricht zu Europa-League-Auswärtsspielen.

Endlich erfolgreich

Es folgten Meistertitel, Nationalteam-Einberufung – und Kritik. Lief es bei den Roten Teufeln nicht, wurde aus dem Belgier der Belgier kongolesischer Abstammung. "Ich beginne einen Satz auf Französisch und beende ihn auf Niederländisch, und ich streue Wörter auf Spanisch, Portugiesisch oder Lingala ein, je nach der Gegend, in der wir sind. Ich bin Belgier", schreibt Lukaku.

2011 war der bullige Stürmer Chelsea 15 Millionen Euro wert, die Blues verliehen ihn an West Bromwich, verkauften ihn an Everton, von dort ging die Reise 2017 weiter zu Manchester United. 84 Millionen Euro für einen, der als Kind das Brot am Montag holte und am Freitag bezahlte.

"Diesmal werde ich Spaß haben", schrieb der nun 25-jährige Lukaku vor Belgiens Auftaktspiel gegen Panama. Es ist seine zweite WM, für den kleinen Bruder, Außenverteidiger Jordan, ist es die erste. Und Romelu hatte Spaß: Er schenkte den Außenseitern zwei Tore ein. (Martin Schauhuber, 19.6 2018)