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Heinz-Christian Strache, hier in Yad Vashem 2016, verurteilt öffentlich den Antisemitismus.

Foto: REUTERS/Ronen Zvulun/

Seit Dezember ist die FPÖ Regierungspartei. Oft führt der Wechsel von der Opposition auf die Regierungsbank zu einer neuen Rolle, zum gemäßigten Umgang mit politischen Gegnern, im besten Fall zu weniger Populismus. Eine neue Liste, auf der das Mauthausen-Komitee Österreich (MKÖ) seit der Nationalratswahl sogenannte Einzelfälle – also rechtsextreme, antisemitische oder fremdfeindliche Vorfälle mit Parteimitgliedern und Funktionären der FPÖ – dokumentierte, spricht nicht für die These des Rollenwechsels. Zum Vergleich: Im Sommer 2017 veröffentlichte das MKÖ eine Liste mit 68 "Einzelfällen", die über Österreichs hinaus Grenzen für Aufsehen sorgte.

Weniger Zeit, mehr Fälle

Der Beobachtungszeitraum erstreckte sich damals auf viereinhalb Jahre. Es waren Fälle von verbalen Entgleisungen bis zu handfesten Übergriffen dabei. In der neuen Broschüre, die als Update der alten zu verstehen ist, untersuchte man nur den Zeitraum von etwa sieben Monaten. Das Resultat: 38 neue Fälle in der Partei von Vizekanzler Heinz-Christian Strache. Der oberösterreichische Nationalratsabgeordnete Gerhard Deimek bezeichnete die Broschüre, die das MKÖ 2017 zu den Fällen publizierte, auf Twitter als "Fake und gelogen" und musste das wenige Wochen später öffentlich widerrufen. Das MKÖ, die überparteiliche Nachfolgeorganisation der Österreichischen Lagergemeinschaft Mauthausen, hatte ihn geklagt – und konnte jeden einzelnen Fall beweisen.

Einer von 38 Fällen, die das MKÖ seit Dezember 2017 sammelte und damit die Liste der Einzelfälle, die keine Einzelfälle sind, aktualisierte.
Foto: Faksimile MKÖ

Die Entgleisungen, die teilweise auch eine Nähe zum NS-Regime aufweisen, haben dabei nicht nur an der Basis zugenommen, sondern auch in den höheren Rängen der Partei. "Acht von 38 sind Mitgliedern der Parteispitze bzw. Mitgliedern der Bundesregierung zuzuordnen, vier weitere engen Mitarbeitern von FPÖ-Ministern", ist in einer MKÖ-Aussendung zu lesen. Ebenfalls bemerkenswert: Während sich Parteichef Strache Mühe gibt, die Partei israelfreundlich zu positionieren, und Antisemitismus – etwa auf dem Akademikerball – den Kampf angesagt hat, tritt gerade Antisemitismus in der Partei wieder offener zutage. 14 der neuen Fälle haben antisemitische Bezüge.

Noch ein Einzelfall ....
Foto: Faksimile MKÖ

Für besonderes Aufsehen sorgte hier etwa das Liederbuch der Burschenschaft Bruna Sudetia, aber auch Verschwörungstheorien über George Soros, die Johann Gudenus ventilierte, und vor allem die Förderung antisemitischer Inhalte der FPÖ durch Inserate in der rechtsextremen Zeitschrift Aula. Diese soll nun bekanntlich völlig neu aufgestellt werden. 19 der neu gesammelten Fälle richten sich gegen Flüchtlinge und Minderheiten, 15 haben eine Nähe zur NS-Ideologie.

Weihnachtsgrüße von 1943

Dabei haben die "Ausrutscher" immer Saison – manchmal sogar mit saisonalem Touch: So verschickte etwa ein Gemeinderat aus Niederösterreich auf Facebook Weihnachtsgrüße aus einer NS-Frauenzeitschrift von 1943. Ein anderer likte zu Silvester ein Lied der Musikgruppe Division Germania. Obwohl er leugnete, den Like mit seinem Passwort selbst gesetzt zu haben, wurde er wegen "Gefahr in Verzug" aus der Partei ausgeschlossen.

Auch Fälle, die der Standard publik machte, stehen in der Broschüre mit dem Titel "Die FPÖ und der Rechtsextremismus – Einzelfälle und Serientäter". Etwa die mit Schweineblut geschändete Grazer Moschee. Hier wurde bekannt, dass Strache und der steirische FPÖ-Landesparteichef und Verteidigungsminister Mario Kunasek im Dezember 2015 persönlichen Kontakt mit dem Chef der "Partei des Volkes", Thomas K., hatten. K. wurde 2016 verhaftet.

... und ein weiterer Einzelfall.

"Adolf, bitte melde Dich! Deutschland braucht Dich!" – ein Bild mit diesem Text verschickte der Bezirksparteichef von Imst an andere FPÖ-Mitglieder. "Zur Warnung", wie er meinte. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Die Liste hält nun bei 106 Fällen, die keine Einzelfälle sind. Das alles sei "unvereinbar mit der Demokratie und den Menschenrechten", kritisiert MKÖ-Vorsitzender Willi Mernyi, zudem "schadet es natürlich Österreich. Was tun die demokratischen Parteien dagegen?" (Colette M. Schmidt, 20.6.2018)