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Wenigstens einer ist ihr zugetan: So nett wie vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron wurde Kanzlerin Angela Merkel von Horst Seehofer (CSU) schon lange nicht mehr getätschelt.

Foto: AP / Jens Meyer

Er hat lange gewartet. Zuerst Wochen, dann Monate. Doch an diesem Dienstag kam der französische Präsident Emmanuel Macron mit einem klaren Ziel ins Schloss Meseberg, nördlich von Berlin: Er wollte endlich – und gleich persönlich – der deutschen Kanzlerin Angela Merkel Zugeständnisse zu seinen Vorschlägen für Reform der Währungsunion abluchsen.

Die gemeinsamen Vorschläge sollen dann den anderen EU-Staaten beim EU-Gipfel am 28. und 29. Juni vorgelegt werden. Bis dahin sollte Merkel ja auch ihre "EU-Lösung" für die Verteilung und Aufnahme von Flüchtlingen parat haben. Schafft sie es nicht, will der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) ab Anfang Juli mit der Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze beginnen.

Im Vorfeld des Treffens im Schloss Meseberg war schon von einem Rendezvous der Geschwächten die Rede. Merkel ist innenpolitisch schwer angeschlagen, die permanenten Attacken der CSU in der Asylpolitik setzen ihr zu. Sie braucht daher dringend einen Erfolg – ebenso wie Macron, der sich zwar als europäischer Visionär feiern lässt, von dessen Vorschlägen für Reformen aber nicht mehr so viel übrig geblieben ist. Zudem ist Frankreich auf die Unterstützung Deutschlands angewiesen.

Minister mit von der Partie

Mitgebracht hatten die beiden auch gleich ihre Kabinette, Seehofer war also auch mit am Tisch. Die Bedeutung des Treffens beschrieb der französische Finanzminister Bruno Le Maire so: "Es ist die Stunde der Wahrheit der deutsch-französischen Beziehungen und die Stunde der Wahrheit der Zukunft der Eurozone."

Die Beratungen dauerten den ganzen Nachmittag. Grundsätzlich mussten ja zwei gegensätzliche Vorstellungen unter einen Hut gebracht werden. Denn Merkel ist sehr viel knausriger als Macron. Bei seinen Plänen – deutlich mehr Geld für die EU – fühlt sie die Abgeordneten des Deutschen Bundestags im Nacken. Diese sehen es nicht gern, wenn zu viel deutsches Steuergeld in andere EU-Staaten fließt. "Für Paris stehen Schutz und Solidarität im Vordergrund, während es für Berlin in erster Linie um Selbstverantwortung und Kontrolle geht", sagt Claire Demesmay von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.

Großer Erfolgsdruck

Da Merkel und Macron jedoch schwer unter Erfolgsdruck stehen, zeichneten sich dann einige Kompromisse ab: Vom EU-Finanzminister, den Macron anfangs vorgeschlagen hatte, war ohnehin schon länger keine Rede mehr.

Und die neuen Geldtöpfe für die Eurozone könnten deutlich kleiner ausfallen, als von Macron ursprünglich gedacht. Er hatte zunächst mehrere Hundert Milliarden Euro dafür gefordert, um Ländern im Krisenfall unter die Arme greifen zu können. Merkel aber wollte sich nur im "unteren zweistelligen Milliardenbereich" bewegen und eine "Transferunion" vermeiden. Als Kompromiss ist nun ein reduziertes Budget mit strengen Auflagen für die Vergabe der Gelder im Gespräch – ab 2021.

Merkel will den europäischen Rettungsschirm ESM zu einem Europäischen Währungsfonds ausbauen, um wirtschaftlich angeschlagenen Ländern einfacher zu helfen, auch mit kürzer laufenden Krediten. Sie denkt an Irland, falls es durch den Brexit Probleme bekommen sollte. Da Macron aber auf seinem Eurobudget besteht, könnte der Kompromiss so aussehen: Gerät ein Land der Eurozone in Schwierigkeiten, könnte sein Beitrag zum Eurobudget vorübergehend vom ESM übernommen werden. Später erfolgt dann die Rückzahlung.

Komplizierte Arbeit

"Hier war sicher die Arbeit am kompliziertesten für uns", räumte Merkel nach dem Treffen ein. Doch sie meinte auch: "Die Anstrengung hat sich gelohnt" – wenngleich die Arbeit mit den europäischen Kollegen nun ja erst vor ihnen liege.

Einig waren sich Merkel und Macron in der Frage der Migrationspolitik, die durch den innerdeutschen Streit an Aktualität gewonnen hatte. "Migration verstehen wir als gemeinsame Herausforderung. Wir sind dafür, dass wir koordiniert vorgehen", erklärte Merkel.

Sowohl die deutsche Kanzlerin als auch der französische Präsident setzen sich für einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen ein und wollen die EU-Grenzschutzbehörde Frontex stärken. Merkel betonte, man unterstütze eine diesbezügliche Initiative der österreichischen EU-Präsidentschaft, die am 1. Juli beginnt. An dem Treffen in Meseberg nahm auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker teil. (Birgit Baumann aus Berlin, 19.6.2018)