Schon schön: Brass Rubbing der Grabplatte des Bischofs Richwin von Naumburg aus dem 12. Jahrhundert.

Foto: Klaus Krüger

Halle – Wer schon einmal mit einem Bleistift eine Münze auf ein Blatt Papier durchgerieben hat, der hat eine Technik angewandt, die in der Kunst Frottage heißt. Und die konnte auch mit deutlich mehr Aufwand und höherer Professionalität eingesetzt werden, wie die Universität Halle-Wittenberg berichtet. Eine sehr spezielle Ausformung davon läuft unter dem Begriff Brass Rubbings: Deren Objekte sind bzw. waren keine Münzen oder ähnlich kleine Gegenstände, sondern metallene Grabplatten von teils beträchtlichen Ausmaßen.

Das klingt auf den ersten Blick skurril, war im England des 18. und 19. Jahrhunderts aber ein regelrechter Boom. Mittelalter-Romantik stand damals hoch im Kurs, und im Zuge der Rückbesinnung auf die Vergangenheit entdeckte man auch die lange vernachlässigten Messing-Grabmäler in Kirchen neu. Historisches Interesse und Sammellust wurden von der gebildeten bürgerlichen Mittelschicht getragen. Aus der Mode kam dieser Zeitvertreib erst mit der massenhaften Verbreitung der Fotografie, die etwas einfachere Möglichkeiten der Dokumentation bot.

Solange die Konkurrenz durch Fotos noch nicht übermächtig war, wuden aber ganze Sammlungen dieser sehr speziellen Zeitdokumente angelegt. Zwei davon gehen nun an die Uni Halle-Wittenberg. Der Hamburger Philologe Reinhard Lamp und der britische Stadtplaner Kevin Herring hatten im Laufe von 60 Jahren über 600 Grabplatten-Abriebe in England und Deutschland angefertigt. Durch die Stiftung dieser Sammlungen verfügt die Universität nun über die größte Sammlung von Brass Rubbings auf dem europäischen Festland. (red, 21. 6. 2018)