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Unternehmen wird langsam mulmig, nachdem US-Präsident Trump mit Strafzöllen auf Importe begonnen hat.

Foto: REUTERS/Thomas White

Im schwelenden Handelsstreit zwischen Washington und Peking verfangen sich auch die EU-Unternehmen in der Volksrepublik. Es sei ein Irrtum anzunehmen, dass Europas Unternehmen von der Eskalation zwischen den USA und China profitieren könnten. Das treffe nur auf ein oder zwei Firmen zu. "Tatsächlich machen sich unsere Mitglieder ziemlich große Sorgen", sagte EU-Kammerchef Mats Harborn bei der Vorlage des neuen Geschäftsklimaberichts "Business Confidence Survey 2018".

Die jährliche von Roland Berger besorgte Umfrage unter mehr als 1.600 Kammerunternehmen stellte eine "neue Nüchternheit" unter den Europäern fest, die sich über Chinas mangelhaften Reformwillen ungeachtet der wiederholten großen Ankündigungen Pekings frustriert zeigen. Dennoch konnten sich Europas Firmen 2017 in China wirtschaftlich gut behaupten und waren profitabel. Das verdanken sie dem großen Markt in China, der stabilen Konjunktur und vor allem der starken Nachfrage aus dem kaufkräftigen Mittelstand. Diese Gründe halfen auch der chinesischen Wirtschaft, sich innovativer und wettbewerbsfähiger zu entwickeln, als viele EU-Unternehmer bisher glaubten. Doch zugleich werden Chinesen wie Ausländer staatlich stark reglementiert. Ein "immer reiferer Markt und unreformierte behördliche Beschränkungen, die ihn zurückhalten", seien einer der vielen Widersprüche im derzeitigen Geschäftsklima Chinas, sagte Harborn.

Kosten herunterfahren

Insgesamt geht es für EU-Unternehmen in China rauer und härter zu. 46 Prozent gaben für 2018 an, dass sie mit lokalen Konkurrenten nur mithalten und angesichts steigender Löhne bestehen könnten, wenn sie ihre Selbstkosten stark herunterfahren. 2013 sagten das nur 22 Prozent. Die Hälfte der in China engagierten EU-Unternehmen befürchtet, dass sich die administrativen Behinderungen und Reglementierungen für sie in den "kommenden fünf Jahren verschlimmern" werden.

Die Studie war im Frühjahr noch vor dem von US-Präsident Donald Trump inszenierten Konflikt um neue Zollstrafen in Auftrag gegeben worden. Diese bringen nun Unruhe und Unsicherheit mit sich, warnte Harborn. Ein Handelskrieg würde die Arbeitsteilung und globalen Zulieferungsketten unterbrechen, von denen auch die europäischen Firmen in China abhängig seien. Die Wurzel des Konflikts zwischen China und den USA seien die seit Jahren von Peking hinausgezögerten Reformen, vom Problem des Marktzugangs über fairen Handel bis zum Zwang zum Technologietransfer, den auch 20 Prozent der Europäer beklagen, besonders in der Hightech-Branche. 62 Prozent der Befragten kritisieren, dass Chinas Firmen besseren Marktzugang in Europa erhalten als Europäer in China. Die EU-Kammer kommt zu einem vernichtenden Urteil darüber, wie wenig Pekings Reformen bisher erreicht haben: "China ist eine der restriktivsten Volkswirtschaften der Welt, noch weit hinter den meisten Schwellenländern."

Dialog und Kooperation

Die EU-Kammer "teilt daher die US-Sorgen über die chinesische Marktentwicklung". Doch es gebe einen wichtigen Unterschied: "Wir akzeptieren nicht die Methoden von Präsident Trump, das Problem über Strafzölle lösen zu wollen", sagte Harborn. Das sei kontraproduktiv. Die Kammer setze auf Dialog und Kooperation, um Peking zu überzeugen, in den Reformgang zu schalten. "Der Ball liegt auf Chinas Feld."

Bisher waren die Europäer kopfschüttelnde Zuschauer der anfangs als "Trump'sche Verhandlungstaktik" abgetanen US-Strafzolldrohungen gegen China. Inzwischen ist ihnen mulmig geworden, nachdem der US-Präsident mit der Ankündigung von 25-prozentigen Aufschlägen auf chinesische Technologieimporte im Wert von 50 Milliarden Dollar begonnen hat. Pekings Handelsministerium antwortete prompt und will reziproke Strafzölle auf US-Agrarimporte und -Autoteile erheben. Trump konterte darauf mit einer möglichen zweiten und inzwischen auch mit einer dritten Strafzollrunde, über die er zehn Prozent Zölle auf China-Einfuhren im Wert von jeweils 200 Milliarden Dollar erheben lassen will. Chinas Handelsministerium nannte das Erpressung und drohte mit "qualitativen und quantitativen" Gegenmaßnahmen.

Zeit für Verhandlungen

Noch sind es nur Drohungen und Gegendrohungen. Die ersten Zölle sollen am 6. Juli in Kraft treten und lassen noch Zeit zu Verhandlungen offen. Doch der Börseneinbruch am Dienstag an den chinesischen Aktienmärkten Schanghai und Shenzhen und danach in Europa und den USA zeigte, wie blank die Nerven weltweit liegen. Schanghais Index fiel um 3,78 Prozent, Shenzhen um 5,31 Prozent. Chinas Aktien dürfen laut Börsenordnung nur um maximal zehn Prozent pro Tag fallen. Mehr als 1.000 Papiere oder jede dritte in China zugelassene Aktiengesellschaft verlor am Dienstag bis zum Limit. Vor allem traf es Elektronikhersteller und Finanzgesellschaften.

In Peking löste das Panik aus. Der seit März amtierende Zentralbankchef Yi Gang rief Investoren auf, "ruhig zu bleiben und rational zu reagieren". Chinas Wirtschaft sei gesund. Am Mittwoch richteten sich in einer konzertierten Aktion alle vier großen Börsenzeitungen des Landes gemeinsam an die Anleger und forderten sie auf, die Nerven zu behalten. Die Börsen schlossen wieder mit einem leichten Plus.

Die finanzpolitische Zeitschrift "Caixin" sorgte sich, dass die USA und China die Kontrolle über die Geister, die sie selbst gerufen haben, verlieren könnten. Doch Peking könne nicht von seiner Vergeltungsstrategie ablassen, "zumindest nicht öffentlich". Die Regierung will nicht "die Stimmung in der Öffentlichkeit gegen sich aufbringen und die USA ermutigen, noch mehr Zugeständnisse von ihr zu verlangen". Andere warnten vor einem Automatismus, in dem ein Handelskrieg "zum einzigen Ausweg wird. Erst wenn beide Kontrahenten genug gelitten hätten, könnten sie sich bereit zeigen, nach einem gesichtswahrenden Ausweg zu suchen, um miteinander zu verhandeln. Die "Global Times" schürte nationale Emotionen: "Nicht nur die Regierung, sondern die gesamte Gesellschaft kann nicht hinnehmen, dass die USA versuchen, China zu erpressen."

Schatten über EU-Wirtschaft

Die Studie der EU-Kammer mit ihrem Votum für mehr Marktzugang wurde vom Showdown zwischen den USA und China überschattet. Besonders stark ist die EU-Kritik an Chinas Zensur des Internets und an seinem intransparenten Cybersicherheitsgesetz. Beide Kontrollmaßnahmen würden einen "dunklen Schatten" auf die EU-Wirtschaft in China werfen und zu "Rechtsunsicherheit" führen. 64 Prozent der Unternehmen beklagen bereits die erhebliche Kosten, die ihnen die Internetzensur bereitet. Ebenso drastisch wirke sich das Cybergesetz aus. Seit seinem Inkrafttreten vor zwei Jahren habe es Peking nicht geschafft, Ausführungsbestimmungen zu erlassen. Das Gesetz sei so willkürlich ausgelegt, dass Firmen bis heute nicht wüssten, wie sicher ihre Daten sind, die sie auf chinesischen Servern vorhalten müssen. Wie können sie ihren Datentransfer ins Ausland und ihre eigenen Verschlüsselungscodes vor unbefugtem Zugriff schützen? Wie können sie Geschäftsgeheimnisse in ihren Forschungs- und Entwicklungszentren bewahren?

Zu den Widersprüchen in der neuen Umfrage gehört, dass ungeachtet aller Kritik an Chinas Reformstau und der unfairen Behandlung von Auslandsinvestoren der große Markt und sein Wachstum weiter eine Anziehungskraft auf 55 Prozent der Befragten haben, die ihre Präsenz 2018 ausweiten wollen. 2013 waren es allerdings noch 86 Prozent. (Johnny Erling, 20.6.2018)