Die Nadel im Heuhaufen suchen: Verschiedene Sternenströme sind hier als bunte Punkte gekennzeichnet, um sie vom Rest der Halo-Sterne (schwarz) abzuheben; blau ist das Sternengewimmel der galaktischen Scheibe. Das rechte Bild zeigt das Ganze um 90 Grad gedreht.
Illustration: Koppelman et al.

Groningen – Galaxien wie unsere Milchstraße wachsen durch zwei sehr unterschiedliche Prozesse. Der eine ist das Wachstum aus eigener Kraft, also durch die Produktion von Sternen. Die neuen Sterne resultieren in einer allmählichen Ausdehnung der galaktischen Scheibe – es dauert allerdings Milliarden von Jahren, bis sich das in ein paar Wachstumsprozentpunkten niederschlägt, rechneten Forscher vor Kurzem vor.

Den wesentlich größeren Anteil des Wachstums erledigt "Nahrungsaufnahme": Also wenn eine Galaxie andere, kleinere Galaxien absorbiert, wenn ihr diese zu nahe gekommen sind. Diese Form von kosmischem Kannibalismus ist gang und gäbe, auch die Milchstraße ist auf diese Weise groß geworden. Ungeklärt bleibt vorerst, ob sich unsere Heimatgalaxie durch die Verschmelzung mit einer oder wenigen relativ großen Galaxien oder durch serienweises Verschlucken von Zwerggalaxien zu ihren heutigen Ausmaßen (einem Durchmesser von knapp 200.000 Lichtjahren) entwickelt hat.

Die Mahlzeiten der Milchstraße

Daten der ESA-Raumsonde Gaia deuten darauf hin, dass beides im Spiel war, berichtet nun die Universität Groningen. Mit Gaia lassen sich die Positionen und Bewegungen von Millionen Sternen berechnen. Dadurch lassen sich auch Muster finden: Wenn Gruppen von Sternen ein gemeinsames Bewegungsmuster aufweisen, deutet das auf einen gemeinsamen Ursprung hin.

Die Forscher um Helmer Koppelman konzentrierten sich dabei auf den Halo, die kugelförmige und sehr dünne Wolke aus Sternen, die die dichte Scheibe großräumig umgibt. Man nimmt an, dass die meisten Sterne im Halo das zurückgelassene Erbe einstiger Galaxien sind, die in der Milchstraße aufgegangen sind.

Was übrig blieb

Koppelmans Team gelang es beim Vergleich von 6.000 Halo-Sternen, fünf kleine Sternenströme, also Ansammlungen von Sternen mit gemeinsamem Ursprung, zu identifizieren – ein Hinweis auf ebenso viele Verschmelzungen mit kleinen Galaxien. Viele der übrigen Sterne dürften aber ebenfalls einen gemeinsamen Ursprung haben. Sie ergeben laut den Forschern in ihrer Gesamtheit einen riesigen "Blob", der sich entgegengesetzt zur Rotation der Scheibe bewegt.

Diesen "Blob" deuten die Forscher als Überrest einer recht großen Galaxie. Sie sind der Überzeugung, dass diese groß genug war, um die Scheibe der Milchstraße umzugestalten. Es könnte sich also um den Überrest jener Verschmelzung handeln, die den Hauptbeitrag zur heutigen Form unserer Heimatgalaxie geleistet hat. (jdo, 24. 6. 2018)