Wien – Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätte die Justiz weniger Arbeit, wenn es kein Testosteron gäbe. Da aber sowohl Domenic M. als auch Dominik B. diesbezüglich gut ausgestattet sind, muss sich M. vor Richter Philipp Schnabel wegen versuchter schwerer Körperverletzung verantworten.

Es ist eine dieser Geschichten, die Einblicke in das Leben der anderen bieten. M., 28 Jahre alt und unbescholten, hat mit Frau B. einen Sohn. Die Beziehung hielt nicht, Frau B. hat mit Dominik B. einen weiteren Sohn gezeugt, ob das Paar noch zusammen ist, bleibt offen.

Den 14. Jänner hat M. mit seinem Sohn verbracht, bezüglich der Übergabe an die Mutter und ihren Neuen gab es telefonische Unstimmigkeiten. "An dem Abend war auch mein Temperament etwas höher", gesteht der Angeklagte zu. Um 18.15 Uhr sei er in die Wohnung gekommen, Herr B. "fing an zu stänkern", wie es der Angeklagte ausdrückt. Zeuge B. schildert es so: "Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass er noch immer Sachen von sich im Keller von Frau B. stehen hat."

Messer in der Jacke

Laut dem Angeklagten sei dieser Hinweis nach zehnminütigem Streit nicht deeskalierend erfolgt. "Er hat einen Schritt auf mich zu gemacht. Er kam mir furchteinflößend vor." M.s Reaktion: "Ich habe aus meiner Jackentasche mein Messer genommen und aufgeklappt."

"Warum haben Sie das überhaupt mit?", interessiert Richter Schnabel. "Ich bin nach St. Pölten gezogen. Wenn ich meinen Sohn sehen will, muss ich über den Westbahnhof. Wien ist wirklich ein gefährliches Pflaster geworden, da brauch' ich das zur Sicherheit", lautet die Antwort. "Dass es nicht besser wird, wenn dann alle mit Messern herumrennen, ist eine andere Sache", gibt sich der Richter geschlagen.

Angeklagter M. beteuert jedenfalls, er habe das Messer nur gezückt. "Zehn Sekunden lang, danach habe ich gemerkt, was für ein Blödsinn das ist, da ja auch Kinder da sind." Die von den beiden 22-jährigen B.s behaupteten Stichbewegungen – auf denen die Anklage beruht – bestreitet der Angeklagte allerdings.

Ex-Freundin schweigt

Die Mutter seines Sohnes entschlägt sich der Aussage, Dominik B. möchte sich auch nicht mehr exakt festlegen, ob es tatsächlich Stichbewegungen gewesen sind oder eher ziellose Fuchtelei. Ob es schon früher Auseinandersetzungen mit dem Angeklagten gegeben habe, will Schnabel von dem Zeugen wissen. "Körperlich nicht wirklich, verbal ja", hört der Richter.

Der schließlich die Anklage verwirft und M. wegen gefährlicher Drohung mit dem Tod rechtskräftig zu sechs Monaten bedingt verurteilt. "Im Kern war das Opfer glaubhaft", begründet Schnabel. "Es ist nicht auszuschließen, dass es ursprünglicher dramatischer dargestellt wurde, aber ich sehe auch die Notwehrsituation nicht." M.s Sohn ist mittlerweile in einem Heim, sein Halbbruder bei einer Pflegefamilie. (Michael Möseneder, 20.6.2018)