Gerhard Schindler war von 2011 bis 2016 BND-Chef, auf dem Foto posiert er vor Abhöranlagen im bayrischen Bad Aibling.

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Gerhard Kostner kann auf eine erfolgreiche Karriere als Wissenschafter zurückblicken: 1966 begann der Biochemiker als Assistenzprofessor an der Universität Graz, es folgten Stationen als Abteilungsleiter und Institusvorstand – und eine Aufnahme in die Liste der Spähziele des deutschen Bundesnachrichtendienstes in Österreich. Dabei forscht Kostner in einem Bereich, der Geheimdienste nicht sonderlich interessiert: Er untersucht den menschlichen Stoffwechsel und konzentriert sich vor allem auf die Krankheit Artherosklerose, also Arterienverkalkung. Warum interessierte sich also der BND ab Mai 2000 für Kostner?

Eine Antwort darauf könnte in seinem Privatleben liegen: Kostners Frau stammt aus dem Iran, wie er im Gespräch mit dem STANDARD erzählt. Außerdem betreute Kostner ein Programm für ausländische Stipendiaten. "Ich hatte Kontakte nach China, Indien, zur ganzen übrigen Welt", so Kostner. Tausende Personen habe er so kennengelernt.

Iran als Ziel

Auch Peter Sturm von der Technischen Universität Graz hatte Kontakte in den Iran. Er forscht im Bereich Untertagebau, hat also viel Expertise im Tunnelbau. Dazu beriet er vor einigen Jahren ein Infrastrukturprojekt im Iran.

Doch Sturm landete schon vorher auf der Liste: Seine E-Mail-Adresse wurde ebenfalls ab Mai 2000 vom deutschen BND ausgespäht. Damals war Sturm Mitglied bei der National Fire Protection Agency, einer US-Organisation, die sich mit Brandschutz beschäftigt. Während Biochemiker Kostner die Überwachung "relativ gleichgültig" ist, stört sich Sturm daran: "Es ist ein Eindringen in meine Privatsphäre, ein Überwachen der Kontakte auf privater wie universitärer Ebene." Er wundert sich, dass die deutschen Agenten "nichts anderes zu tun haben".

"Wissenstransfer"

Wenn man ausländische Stipendiaten hat, die ganz ausgefallene Wissensrichtungen in Österreich studieren, dann kann es durchaus sein, dass diese Studenten aus dem Ausland eine Zielrichtung sind", sagte Verfassungsschutz-Chef Peter Gridling diese Woche dem STANDARD. Der BND nahm in seiner Spähliste, die STANDARD und "Profil" exklusiv vorliegt, eine ganze Reihe von Forschungseinrichtungen ins Visier.

Neben der TU Graz wurden etwa auch die TU Wien, gesondert deren Institut für chemische Technologie, die Uni für Veterinärmedizin in Wien, die Donau-Universität Krems und die Uni Graz ausgespäht. Dazu kommen außeruniversitäre Forschungseinrichtungen. Da sich die TU Graz einmal auf Deutsch, einmal auf Englisch in der Liste findet, kann davon ausgegangen werden, dass der BND die Universität auch im Auftrag der US-amerikanischen NSA ausspioniert hat.

Androsch "schmunzelt"

Politiker finden sich auf der Liste zwar nicht, dafür aber die Firma eines Ex-Politikers: nämlich die AIC GmbH, die ab Dezember 2000 abgehört wurde. Ihr Gründer ist mit Ex-Finanzminister und SPÖ-Doyen Hannes Androsch einer der wichtigsten heimischen Unternehmer. "Abgehört wurde ich schon von der DDR, vom tschechoslowakischen Geheimdienst und von der eigenen Staatssicherheit. Da kann ich über diese Nachricht nur noch schmunzeln", sagt Androsch zum "Profil", das gemeinsam mit dem STANDARD die Liste der 2000 Ziele in Österreich enthüllt hatte.

Auch der DDR-Geheimdienst späte Hannes Androsch aus.
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"Ein freundschaftlicher Akt ist das aber nicht", so Androsch. Die AIC ist 1989 gegründet worden, sie war anfangs vor allem in Osteuropa aktiv. Androsch selbst war auch zweimal im Iran, was ebenfalls ein Grund für die Aufnahme seiner Firma in die Liste sein könnte.

Für sein Unternehmen wird auch ein Telex-Anschluss ausgewiesen, die Firma will ein derartiges Gerät aber nie besessen haben. Das ist kein Einzelfall: Immer wieder zeigen Recherchen Unschärfen in der Liste. Das dürfte an der Systematik beim BND liegen, wo einzelne Abhörstationen selbstständig Ziele suchten. Die Recherchen werden nächste Woche jedenfalls den deutschen Bundestag beschäftigen. Der will prüfen, ob die Überwachung noch aktiv ist. (fsc, sum, 20.6.2018)