Vertrag aus der Ablage holen und genau studieren, das raten Experten.

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Wien – Fast jeder Fünfte leistet in Österreich mindestens einmal in der Woche Überstunden. Die meisten, weil die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit zu knapp für alle Erledigungen ist. Rund ein Viertel aller österreichischen Arbeitnehmer haben jedoch eine fixe Zahl an Überstunden im Vertrag stehen – die pauschal entlohnt werden.

Was die von der Regierung geplante Flexibilisierung der Arbeitszeiten für Arbeitnehmer mit solchen All-in-Verträgen bedeutet, sorgt derzeit für Diskussionen. "Der Zwölfstundentag betrifft nur die zulässige Höchstarbeitszeit. Wenn die Deckungsprüfung ergibt, dass vom All-in-Vertrag nicht abgedeckte Arbeitsstunden geleistet worden sind, müssen diese vom Arbeitgeber entlohnt oder Zeitausgleich vereinbart werden", sagt Anna Mertinz. Die Arbeitsrechtsexpertin bei Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte (KWR) würde ihren Mandanten jedoch empfehlen, bei bestehenden Arbeitsverträgen zu prüfen, inwiefern diese geändert werden müssen, falls der Zwölfstundentag beschlossen wird.

Auslegungsspielraum

Was genau geänderte rechtliche Rahmenbedingungen für All-in-Verträge bedeuten, lässt sich nicht verallgemeinern. "Ob die elfte und zwölfte Arbeitsstunde von der Überstundenpauschale abgedeckt sind, ist schwierig zu sagen", erklärt Irene Holzbauer, die bei der Wiener Arbeiterkammer die Abteilung Arbeitsrecht leitet. Manche Verträge sind sehr vage formuliert und lassen großen Interpretationsspielraum zu. "Es kommt auf die Absichten der Vertragspartner bei Vertragsschluss an", sagt Holzbauer, die Arbeitgeber bei derlei Streitigkeiten in der stärkeren Position sieht. "Arbeitnehmer klagen selten, weil sie damit oft ihren Job riskieren."

Nachverhandeln nicht nötig

Andere Arbeitsverträge sehen ein Maximum an täglichen Arbeitsstunden vor und schließen Zwölfstundentage damit aus. "Aus meiner Sicht sind korrekt formulierte All-in-Verträge vom Wording her nicht zwingend nachzuverhandeln, wenn der Zwölfstundentag beschlossen wird", sagt Mertinz. Solche Verträge könne man, müsse man aber nicht nachverhandeln.

Rolf Gleißner, Arbeitsrechtsexperte der Wirtschaftskammer, glaubt nicht, dass die Flexibilisierung der Arbeitszeiten für Arbeitnehmer mit All-in-Verträgen einen Nachteil bedeutet. "Bei Unterbezahlung drohen Unternehmen drakonische Strafen", erklärt Gleißner, aber: "Die Deckungsprüfung am Jahresende wird tendenziell wichtiger, weil mehr Überstunden möglich sind." (luis, 21.6.2018)