Budapest – Bei den Gesprächen des österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) am Donnerstag beim Gipfeltreffen der Visegrád-Staaten in Budapest mit Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán steht das Thema Migration ganz oben auf der Agenda. Orbán ist in dieser Frage kompromisslos, wie er selbst jüngst dezidiert formulierte.

In einem "Budapester Europarede" genannten Vortrag im Rahmen einer Veranstaltung der deutschen CDU-nahen "Konrad-Adenauer-Stiftung" und der "Stiftung für ein Bürgerliches Ungarn" anlässlich des ersten Todestags des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl, sagte der rechtsnationale Regierungschef am vergangenen Wochenende: "Ist ein Kompromiss in der Debatte um die Migranten möglich? Nein, er ist gar nicht nötig."

"Übereinstimmung nicht notwendig"

Es gebe Fragen, in denen es niemals eine Übereinstimmung geben wird, erklärte Orbán laut auf Deutsch übersetztem Redetext: "Es wird sie nicht geben und es ist auch nicht notwendig, dass es sie gibt. Solch eine ist zum Beispiel die der Einwanderung."

Es gebe schließlich kein einziges Dokument, in dem stünde: "Wenn Du der Europäischen Union beitrittst, musst Du zu einem Einwanderungsland werden."

Schlussfolgerung Orbáns: "Als wir beitraten, haben wir uns zu nichts dergleichen verpflichtet." Wahr sei aber auch, dass die grundlegenden Dokumente der Europäischen Union auch nicht formulieren, "dass wenn sich jemand zu einem Einwanderungsland umformen möchte, dies verboten wäre."

"Keinen Bedarf"

Deshalb gebe es in der EU Einwanderungsländer, "in denen man die Migranten mit Freude begrüßt, sich mit ihnen vermischen will, sie in sich integrieren möchte". Und es gibt Länder, "die keinen Bedarf an Migranten haben, sich nicht mit ihnen vermischen wollen, ergo kann auch ihre Integration nicht in Frage kommen."

In solchen Fällen sei nicht ein Kompromiss, sondern Toleranz notwendig, forderte Ungarns Premier. "Wir tolerieren, dass einzelne Mitgliedsstaaten in der Schengenzone Migranten aufnehmen, dies hat Konsequenzen auch für uns bzw. wird sie haben."

Aber: "Sie sollen uns nicht belehren, sie sollen uns nicht erpressen und sie sollen uns nicht nötigen, sondern sowohl uns als auch den Mitgliedsstaaten den ihnen zustehenden Respekt geben, und dann wird Friede auf dem Ölberg herrschen."

Toleranz und Respekt

Auf ähnliche Weise sei über die Frage der Einwanderung hinaus auch in einigen anderen Fragen kein Kompromiss, keine Vereinbarung, sondern Toleranz und Respekt notwendig, formulierte Orbán.

Und zwar: "Hinsichtlich der Auffassung über die Nation, über die Grundprinzipien der Familienpolitik, auf dem Gebiet der Regelung der Ehe und der gesellschaftlichen Integration. Diese Fragen gehören in die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten."

Denn: "Hinter der fehlenden Übereinstimmung finden sich kulturelle Eigenheiten und historische Wurzeln, weshalb es überflüssig ist, einander wieder und immer wieder erfolglos davon überzeugen zu wollen, worüber wir nicht gemeinsam entscheiden müssen."

Von den vier Visegrád-Ländern Ungarn, Polen, Tschechien, Slowakei hat nur die Regierung in Prag ihre Teilnahme an dem kurzfristig für Sonntag einberufenen Flüchtlingsgipfel in Brüssel zugesagt.

Schutz der Außengrenzen im Fokus

Laut Bundeskanzleramt erfolgt die Reise Kurz' nach Budapest in Vorbereitung des EU-Ratsvorsitzes, den Österreich ab Juli innehaben wird. Hauptthema sei der Kampf gegen illegale Migration.

"Im Fokus stehen Bemühungen zum Schutz der Außengrenzen, insbesondere eine Stärkung von Frontex und Maßnahmen gegen illegale Migration entlang der Albanien-Route", hieß es. Laut der Bundesregierung ist jüngst eine verstärkte Migrationsbewegung durch Albanien zu verzeichnen. In Expertenkreisen ist diese Darstellung zumindest umstritten. Das Thema "illegale Migration" wird aber auch am Sonntag bei einem am Mittwoch einberufenen "Mini-Gipfel" in Brüssel behandelt, bei dem Kurz die Regierungschefs Deutschlands, Italiens, Frankreichs, Spaniens, Griechenlands und Bulgariens treffen wird.

In Budapest stehen laut Kanzleramt zudem folgende Programmpunkte an: "Verbesserung der Beziehungen EU–Israel, die Unterstützung der Westbalkanstaaten bei der EU-Annäherung, die Indexierung der Familienbeihilfe sowie die ablehnende Haltung Österreichs zur Nutzung von Atomenergie". Die Visegrád-Staaten Ungarn, Polen, Tschechien und Slowakei lehnen Flüchtlingsquoten ab und nehmen auch in anderen Fragen mitunter extrem EU-kritische Positionen ein. Ungarn wird zu dem vorgeworfen, Menschenrechte zu missachten, die Medien- und Meinungsfreiheit zu beschneiden und repressiv gegen NGOs vorzugehen. (APA, 21.6.2018)