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"Alle archäologischen Stätten, die nahe am Küstenrand liegen, sind in Gefahr", sagt Camilo Rapu, der Präsident der indigenen Gemeinschaft Ma'u Henua.

Foto: Reuters/Carlos Barria

Santiago de Chile – Geheimnisvoll thronen die übergroßen Steinstatuen auf der Osterinsel mitten im Südpazifik. Das politisch zu Chile gehörende Eiland gilt als eines der einsamsten der Welt – das nächstgelegene Festland ist fast 3.800 Kilometer entfernt. Allein fühlt sich die Vulkaninsel auch, wenn es um den Kampf gegen die voranschreitende Erosion und den Schutz der als Unesco-Welterbe geführten Riesen geht.

Einige dieser meterhohen und Moai genannten Figuren stehen am Hang, die meisten jedoch an der Küste und manche sogar ganz nah am Wasser. Seit der Meeresspiegel mit der Erderwärmung gestiegen ist, schlagen die Wellen immer heftiger auf und nagen an ersten Sockeln, auf denen sich die Skulpturen befinden.

Keine genauen Zahlen zum Anstieg

"Alle archäologischen Stätten, die nahe am Küstenrand liegen, sind in Gefahr", sagt Camilo Rapu, der Präsident der indigenen Gemeinschaft Ma'u Henua. "Wenn schlechtes Wetter herrscht, reicht das Meerwasser direkt an die Ahus (die Plattformen, auf denen die Statuen stehen) heran. Das führt zu Auswaschung und Einsturz." Seit November verwaltet er den Nationalpark Rapa Nui, der den größten Teil der lediglich gut 160 Quadratkilometer großen Vulkaninsel umfasst. Genaue Zahlen darüber, um wie viele Zentimeter der Meeresspiegel in den vergangenen Jahren stieg, hat die Inselregierung bisher nicht gesammelt. Doch der Anstieg sei eine Tatsache, heißt es dort.

Zu den gefährdeten Stätten gehört zum Beispiel die bei Touristen besonders beliebte Ahu Tahai-Anlage nahe Hanga Roa an der Südwestküste, wie der Bürgermeister der Osterinsel, Pedro Edmunds, berichtet. Dort befindet sich der einzige Moai mit Augen, der zudem eine – Pukao genannte – Kopfbedeckung trägt und als besonders beeindruckend gilt.

Erosionsgefährdet ist die Insel, die der über 500 Meter hohe erloschene Vulkan Terevaka überragt, seit langem. Sie besteht aus porösem Tuffgestein, das recht leicht abzutragen ist. Einst bedeckten dichte Palmwälder das Eiland, doch vor einigen Jahrhunderten holzten Inselbewohner die Bäume komplett ab. Damit verschwand der Schutz vor Erosion und Austrocknung.

Unesco schon länger alarmiert

Bereits 2016 zeigte sich die UN-Kulturorganisation Unesco in einem Bericht darüber alarmiert, dass der globale Klimawandel auch wichtige Stätten des Welterbes bedrohe. Neben den Galapagos-Inseln, der kolumbianischen Hafenstadt Cartagena de Indias und dem japanischen Nationalpark Shiretoko listete sie auch die Osterinsel auf. "Einige der Statuen auf der Osterinsel laufen wegen der Erosion der Küste Gefahr, im Meer verloren zu gehen", schrieb Hauptautor Adam Markham.

Seitdem sind etwa zwei Jahre vergangen, in denen Markham keine dramatische Veränderung auf der Osterinsel beobachtet hat. "Der Anstieg des Meeresspiegels ist ein relativ langsamer Prozess", sagt er. Für die Osterinsel bestehe die größte Gefahr in der Erosion der Küste durch Stürme und den auf lange Sicht steigenden Meeresspiegel.

Die Alarmglocken ließ 2016 auch eine Prognose der Wissenschafter David Pollard und Roberto DeConto schrillen: In ihrer Studie gehen sie davon aus, dass der Meeresspiegel als Folge der Eisschmelze an den Polargebieten bis Ende dieses Jahrhunderts um bis zu 1,50 Meter steigen könnte. Allerdings gilt diese Prognose unter Wissenschaftern als umstritten, einige halten sie für zu hochgegriffen.

Wenn ein Strand verschwindet

Für die Bewohner der Osterinsel selbst sieht Wissenschafterin Beate Ratter aber auch aus einem anderen Grund keine besondere Gefahr durch einen künftigen Meeresspiegelanstieg. "Es handelt sich um eine hohe Vulkaninsel", sagt die Professorin am Institut für Geografie der Universität Hamburg. "Die Küsten sind nur an ganz wenigen Stellen mit kleinen Sandstränden ausgestattet." Meist seien es hohe Klippen.

Eindringlichstes Beispiel für das bisher schon veränderte Verhalten des Ozeans dürfte das Verschwinden des Sandstrandes Ovahe an der Nordküste von Rapa Nui sein. Das Meer spülte ihn förmlich weg und hinterließ dort eine Steinwüste – mit fatalen Folgen für den Tourismus und die Fischer, die von dort aus mit ihren Booten aufs Meer hinausfuhren. Zudem führte die Erosion auch dort dazu, dass das Gelände nun instabil ist und sogar die Reste begrabener Vorfahren freigelegt wurden.

Einige der vielbewunderten und in dem Film "Rapa Nui" von 1994 verewigten Steinskulpturen stehen nahe der Küstenlinie der Osterinsel. Sie zu schützen, übersteigt die finanziellen Möglichkeiten des Eilands. "Ich habe schon Aufrufe an die Welt gerichtet, damit diese Stätten mehr Aufmerksamkeit erfahren und mehr Studien gemacht werden, wie sie geschützt werden können", sagt Bürgermeister Edmunds, der zum Volk der Rapa Nui gehört. "Aber bisher sind sie verhallt."

Kaum Unterstützug aus Chile

Auch aus Chiles Hauptstadt Santiago de Chile komme nicht allzu viel Unterstützung, wird beklagt. Immerhin aber beteiligt sich die Regierung am Bau einer Schutzmauer, die im Südosten der dreiecksförmigen Insel als Wellenbrecher für den Ahu Ura Uranga Te Mahina dienen soll. Dort waren die Moai vor langer Zeit während der Kämpfe zwischen verschiedenen Inselclans vom Sockel gestürzt worden. Dennoch müssen auch die liegenden Statuen vor dem Meerwasser geschützt werden. Schon die früheren Inselbewohner hatten Schutzmauern aufgestellt, der stete Wellenaufschlag macht diese aber langsam mürbe und zusätzlichen Schutz nötig.

Die Nachfahren der legendären Rapa Nui bemühen sich nun auch global um Hilfe für den Kampf gegen die voranschreitende Erosion. "Wir haben international eine Hilfskampagne gestartet, um Mittel für den Schutz unseres Erbes zu bekommen", sagt Camilo Rapu. "Wir Rapa Nui sind zwar die Wächter dieses Welterbes, doch es gehört der ganzen Menschheit." (APA, 21.6.2018)